Amnion 5: Heute sterben alle Götter
»Succorso mit Morn Hyland entlohnt.«
Das war für Blaine Manse zuviel. »Mein Gott!« schrie sie; heulte beinahe auf. »Ihrer eigenen Mitarbeiterin? Und Sie geben es zu? Weshalb?«
Koina wußte, was Blaine Manse meinte: Warum haben Sie Morn Hyland geopfert? Hashi Lebwohls Stellungnahme dazu hatte gelautet: Leutnantin Hyland war unwiderruflich kompromittiert. In einer Hinsicht mochte er sich damit an die Wahrheit gehalten haben; in anderer Hinsicht jedoch war es völlig falsch, eine irreführende Fehlinformation, die Warden Dios’ Gegenspieler verwirren sollte.
Pfiffig antwortete die RÖA-Direktorin, als bezöge Blaine Manses Frage sich auf Angus Thermopyle. »Wir wollten sicher sein, daß man ihn wegen keines Gesetzesverstoßes verurteilte, der die Todesstrafe nach sich zog, damit wir ihn anschließend in unseren Gewahrsam überstellen lassen konnten. Und…« Noch immer fiel es ihr schwer, derlei Dinge auszusprechen. Aber die Erbitterung, die in ihr schwelte, half ihr dabei, sich dazu durchzuringen. »Und es war unser Ziel, die Glaubwürdigkeit des Kombi-Montan-Sicherheitsdienstes zu untergraben. Sicherlich entsinnen Sie sich alle, wie es zur Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes gekommen ist. Es wurde mehrmals von uns vorgelegt, und Sie haben es jedesmal abgelehnt. Erst als wir einen Weg fanden, um Ihnen den Eindruck zu vermitteln, die lokalen Sicherheitsdienste seien unzuverlässig, ist es Ihrerseits befürwortet worden. Dafür haben wir Angus Thermopyle gebraucht.«
Sie sprach mit normaler Lautstärke und in gleichmäßigem Tonfall. Trotzdem erfüllte die enorme Bedeutsamkeit ihrer Bekenntnisse den Saal wie Schreie. »Gestatten Sie mir, unzweifelhafte Klarheit zu schaffen. In dieser Sache können wir uns keine Mißverständnisse erlauben. Wir haben Angus Thermopyle mit dem Vorsatz in die Falle gelockt, Sie zur Verabschiedung des Autorisierungsgesetzes zu verleiten. Auch das« – zum Abschluß verwies sie auf die relevante Einzelheit – »ist auf Generaldirektor Holt Fasners persönliche Anordnung geschehen.«
Sie rechnete seitens Maxim Igensards mit einem neuen Ausbruch der Erregung, beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, um sich darauf einzustellen. Doch anstatt einem Wutanfall entgegenzuschwellen, schien er kleiner zu werden. Infolge irgendeines insgeheimen Erschreckens wich ihm das Blut aus den Wangen, etwas erstickte die Glut seiner fanatisch gerechten Empörung. Ihm sanken die Schultern herab, seine Augen huschten zur Seite, fort von Koina, ja der ganzen Versammlung.
»Nein«, ächzte er so leise, daß selbst Koina ihn kaum verstehen konnte. »Nein. Alles läuft falsch. So geht’s nicht. Nicht wenn Fasner…«
Er mußte inzwischen begriffen haben, daß Koina und Warden Dios – viel weiterreichende Ziele verfolgte, als er sich überhaupt auszumalen vermochte.
Während Igensards Aufgeblasenheit verpuffte, setzte sich Kapitän Vertigus an seinem Platz wieder aufrecht hin; seine Hände waren fahrig, doch in seinen Augen glomm ein scharfer Blick. Möglicherweise hatte er Koinas unausgesprochene Hinweise doch verstanden. Ein wirksames Antimutagen-Immunitätsmedikament zu verheimlichen, war eine Art von kriminellem Verhalten; in voller Absicht das Regierungskonzil zu täuschen, um ein Autorisierungsgesetz durchzupeitschen, bedeutete einen Großbetrug wieder gänzlich anderer Dimension. Falls diese Beschuldigung sich dem Drachen nachweisen ließ…
Ungeachtet seiner vorherigen Fassungslosigkeit wirkte er jetzt wie ein Mann, der Arbeit zu erledigen hatte.
Koina seufzte. Es war wirklich ein Jammer, daß sie nach wie vor keine Beweise vorlegen konnte.
Aus Erbostheit war die Repräsentantin der KombiMontan-Station fast dem Schlaganfall nahe. Punjat Silat stöhnte vor sich hin, als wären seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt worden. Aber niemand ergriff das Wort. Es hatte den Anschein, als fühlten die Mitglieder des Regierungskonzils sich überfordert. Die Mehrheit wartete wohl auf Cleatus Fanes Stellungnahme.
Er mutete ihnen keine überlange Spannung zu. Während er rauhbeinig vor sich hin lachte, winkte er mit der Hand, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Die leichte Schräghaltung seines Kopfes verriet, daß er im Ohr, als er aufstand, die Stimme seines Herrn hörte; dieser Umstand beeinträchtigte jedoch keineswegs seine Fähigkeit, sich an die Versammlung zu wenden.
»Meine liebe Direktorin Hannish, das alles ist doch völlig absurd«, behauptete er mit gespielter Belustigung. Ein
Weitere Kostenlose Bücher