Amnion Omnibus
KombiMontanStation bezüglich ihrer Flucht aus Angus Thermopyles Schlepptau in Nick Succorsos Obhut hatte, ahnte Morn unterdessen nicht das geringste; die Idee, an ihrer Situation sei irgend etwas romantisch, hätte bei ihr nur hysterisches Gelächter ausgelöst.
Als erstes fand sie heraus, daß Nick Succorso Grenzen hatte. Er konnte ermattet werden.
Im Laufe der Stunden, die sie umeinandergeschlungen in Morns Koje zubrachten, übernahmen sie Rollen, die Nick für sie beide festlegte: Künstler und Instrument. Er spielte auf ihren Nerven, als unterläge ihre Reizbarkeit vollkommen seinem Willen, sprächen sie auf nichts als seine intimen Berührungen an. Morn ließ sich ihrerseits mit einer Art von blindem, willigem Entzücken darauf ein, das nichts von allem ähnelte, das sie je bei oder für Angus Thermopyle empfunden hatte: Ihre Hingabe geriet zu solcher Schrankenlosigkeit, als entrückte sie sie in ein Reich purer Sexualität.
Für eine Zeitlang beunruhigte diese Entwicklung sie: In einer der abgesperrten Schubladen ihrer Seele fürchtete sie diese Auswirkung.
Wenn er so etwas mit ihr tun, bei ihr dies und das an Fühlbarem hervorlocken konnte, dann war sie verloren, ihm gegenüber hilflos; dann hatte sie keine Hoffnung.
Schließlich jedoch entdeckte sie, daß es sich bei den Einordnungen ›Künstler‹ und ›Instrument‹ um bloße Rollen handelte. Sie und Nick schufen gemeinsam eine Illusion. Sie war diejenige mit dem Zonenimplantat; sie hätte weitermachen können, egal wie uneingeschränkt sie auf seine Rammelwut einging, egal wie vollständig sie sich ihm überließ.
Bis zu dem Moment, in dem ihr Gehirn aussetzte oder ihrer Körper versagte, ihre Synapsen infolge einer Überflutung mit Endorphin ausbrannten, konnte sie bei allem mithalten, was Nick ihr abverlangte, und bei mehr.
Er dagegen... Mit einem letzten Erguß erschöpfte sich sein Sinnestaumel. Mit einem Stöhnen der Berauschtheit sank er zusammen und schlief sofort ein.
Aus seinen Narben schwand die eindringliche Ausdruckskraft, als die Anspannung seiner Triebhaftigkeit verebbte. Ohne den Hintergrund
seiner Sinnlichkeit sahen sie blaß aus, bestanden sie nur noch aus vernarbtem Gewebe, waren sie nichts als alte Wunden: Zeichen einer Niederlage.
Der Künstler verging, doch das Instrument hatte Bestand.
Es dauerte ein Weilchen, bis Morn durchschaute, was sich ereignet hatte. Als er neben ihr erschlaffte, erlebte sie als Reaktion keine Genugtuung, keinen Triumph, sondern verspürte Enttäuschung. Die sexuelle Besessenheit, die sie gegenwärtig erfüllte, konnte durch nichts geringeres als etwas gestillt werden, das sich einer neuralen Apotheose annäherte. Es trieb sie dazu, auf den Emissionen des Z-Implantats zu schweben, bis sie als Nova erstrahlte.
Doch ließ man die Möglichkeit der Selbstentleibung durch sexuelle Maßlosigkeit einmal außer acht, war es Nick, der Grenzen hatte. Nicht sie.
Darum gab das gesamte Erlebnis nur eine Illusion ab.
Und das Trugbild hatte allein für ihn Belang. Morn spiegelte es zu seinen Gunsten vor: Er war das Opfer. Der Anschein, sie gäbe sich hin, sei völlig sein, trog.
Soviel Macht immerhin hatte Morn.
Vielleicht reichte diese Macht aus, um ihren Schutz zu gewährleisten.
Was sie sich erträumt und erhofft, wofür sie gelitten gehabt hatte, als sie von Angus das Zonenimplantat-Kontrollgerät annahm, fing Wirklichkeit zu werden an.
Bei dieser Beobachtung hatte sie eine Anwandlung der Zufriedenheit – und als nächstes bemerkte sie in ihrem Innern eine Andeutung wüsten, unversöhnlichen Zorns. Morns eingesperrte Wut empfing in ihrer Schublade den ersten Vorgeschmack der geforderten Nahrung.
Als sie Angus hintergangen hatte – Nicks Leuten die Gelegenheit vermittelte, stationseigene Vorratsgüter an Bord von Angus’
Raumschiff zu schaffen, indem sie die Anzeige außer Betrieb setzte, die ihn aufs Öffnen der Laderäume der Strahlenden Schönheit hingewiesen hätte –, war sie frei von aller Wut gewesen. Zu sehr hatte sie unter dem
Eindruck des Risikos dessen gestanden, was sie tat: Zu stark hatte die Furcht vor Angus’ Rache, die durch ihre Wehrlosigkeit bedingte Sorge sie beherrscht gehabt.
Jetzt hingegen fühlte sie Zorn. Eine der unnatürlichen Schubladen, in die sie ihr Innenleben kompartimentiert hatte, barst auf, und eine Leidenschaft, heißer als der vom Z-Implantat erzeugte, künstliche Nervenkitzel der Lüsternheit, quoll hervor, durchglühte sie.
Die Wut führte ihr die
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