Amnion Omnibus
werden.
Zum drittenmal überprüfte Thermopyle, ob Ciro sich richtig festgehakt hatte. Es ließ sich nicht ausschließen, daß die Anflugdaten, die der Stiller Horizont übermittelte, Kapitänhauptmann Ubikwe zu plötzlichem Schub zwangen.
Doch Ciro war sicher angehakt. Auf die Weise, die jemandem den Wahn suggerierte, er könnte sich mit der Hand an einem Raumschiff halten, wenn es Schub gab, war er nicht verrückt. »Ist dir noch bewußt, was du zu tun hast?« keuchte Thermopyles Stimme in Ciros Helm.
»Ist dir alles klar?“
Ciro wußte, daß die Amnion diese Helmfunkfrequenz nicht abhören konnten. Er und Thermopyle untereinander sowie Posaune und Kommandomodul standen auf einer besonders chiffrierten Frequenz in Verbindung, die dem Feind unerkennbar blieb. Trotzdem wünschte sich Ciro, Angus Thermopyle würde weniger reden.
Durch das Gerede in seinen Ohren fühlte er sich entblößt, als könnten Worte ihn an die Defensiveinheit verraten.
Er faßte das Impacter-Gewehr. Ein Flexistahlband koppelte es an seinen Gürtel. »Die Luke ist offen«, antwortete er leise. Angus Thermopyle hatte sie selbst geöffnet, ehe sie von Bord der Rächer gingen. »Es ist alles vorbereitet. Ich laß Sie nicht im Stich.« In gewissem Umfang war das gelogen. Er hatte sich schon haarklein ausgedacht, wie er von Thermopyles Planung abweichen wollte.
Natürlich kannte Angus Thermopyle die Wahrheit. Er hatte in jeder Hinsicht den totalen Durchblick. Aber um Mikkas willen – oder zu seiner eigenen Beruhigung – benahm er sich, als erwartete er von Ciro, seine Anweisungen hundertprozentig zu befolgen.
»Sieh zu, daß du recht behältst«, schnaufte Thermopyle. »Mir ist’s schnuppe, wie bekloppt du bist. Wir dürfen uns keine Patzer leisten.« Angus Thermopyle hatte sich lediglich mit zwei Laser-Schweißbrennern bewaffnet. Sonst trug er nichts mit als einen zweiten, auf den Rücken geschnallten EA-Anzug sowie einen schweren, an den Gürtel gehängten Kanister voller Plexulose-Abdichtungsmaterial. Hätte Ciro nicht solches Vertrauen zu ihm gehabt, wäre er vielleicht auf die Frage verfallen, welchen Schaden Thermopyle eigentlich mit so unzulänglicher Ausrüstung glaubte anrichten zu können. »Lassen Sie ihn in Frieden, Thermopyle«, murmelte Mikkas Stimme von der Brücke der Posaune; aber nur aus gewohnheitsmäßiger Abwehr, ohne jeden Nachdruck. »Wenn er Mist baut, sterben Sie nicht früher als er.“
»Gefällt Ihnen die Aussicht?« erkundigte sich Kapitän Ubikwe, bevor Angus Thermopyle etwas erwidern konnte. Ubikwe sprach mit gemütvoll tiefer Stimme, um die Spannung zwischen Thermopyle und Mikka zu entschärfen. »Mir wird immer wieder erzählt, sie wäre sensationell, aber ich habe nie viel davon. Wahrscheinlich habe ich zuviel Zeit hinter Metallwänden zugebracht.
Freier Weltraum verursacht mir Brechreiz.« »Dann ist’s nur gut, daß Sie nicht vor meiner Aufgabe stehen, Dicker«, krächzte Thermopyle. Es klang, als ob er erstickte.
»Verdammt wahr.« Man hörte Kapitän Ubikwe Frohsinn an; beinahe Glücksgefühl. »Wo ich jetzt bin, fühle ich mich am wohlsten.« Falls alles andere mißlang, sollte er die Posaune abwerfen und versuchen, die Protonenemitter der Stiller Horizont zu rammen. Anscheinend verdroß die Möglichkeit eines derartigen Endes ihn überhaupt nicht.
Ciro empfand Verstimmung. Er fühlte sich durch Kapitän Ubikwes gute Laune herabgesetzt. Er war sicher, daß der Kapitänhauptmann ihm nicht traute.
»Mir war’s lieber, alle hielten die Klappe«, sagte er voller Trotz. Ihm war die eigene Stimme zuwider. Sie klang zu sehr nach einem Kind. »Ich muß schon an genug denken.« Zu seinem Erstaunen blieben Mikka und Kapitänhauptmann Ubikwe von da an still.
Angus Thermopyle dagegen nicht. Aber Ciro hatte alles schon gehört; vieles kannte er auswendig. Anstatt Thermopyle Aufmerksamkeit zu schenken, konzentrierte er sich auf die Stiller Horizont – und auf Gedanken an die Frau, die ihn zu dem, was er war, gemacht hatte, die Kapitänin der Sturmvogel!
Gewissermaßen hatte er sich in sie verliebt. Ihm war von ihr ein Mutagen in die Adern gespritzt worden. Sie hatte ihm befohlen gehabt, die Posaune zu vernichten.
Jetzt war sie tot – und er hatte es nicht geschafft, ihre Wünsche zu erfüllen. Er hatte das Gefühl, ihr durch ein Band verpflichtet zu sein, das ebenso eng war wie Leidenschaft.
Ciro erachtete sich als verantwortlich für ihren Nachruf; das Andenken, das die Menschen an sie
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