Amnion Omnibus
behielten.
Weil er ihr Geschöpf geworden war, oblag es ihm, ihrem Leben den letztendlichen Sinn zu verleihen, und er hatte vor, ihr volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Es war seine Absicht, ihrem Beispiel dergestalt zu folgen, wie sie es nicht einmal im Traum für möglich gehalten hätte.
LANE
Lane Harbinger war aus Erschöpfung wie erschlagen zumute – ein Gefühl, das eine Frau wie sie, die sich häufig ausschließlich durch künstliche Stimulantien ernährte, gründlich verunsichern mußte. Sie wußte sich kaum noch irgendwie zu helfen. Sollte sie den Kopf aufstützen? Die Augen schließen? Eine Versuchung bedeuteten diese Möglichkeiten für sie. Aber dann entging ihr eventuell etwas… Also zündete sie sich statt dessen eine neue Nik an, trank den restlichen Inhalt einer Thermoskanne Kaffee – gemischt mit einem Schuß Hype – und taumelte von ihrer Computerkonsole zum Imbißautomaten des Labors, um die Kanne abermals füllen zu lassen.
Sonderbar… Es gelang ihr nur mit Mühe, das Gleichgewicht zu wahren. Die Knie schienen sich nicht mehr normal zu bewegen, und ihre Füße hatten zum Boden eine reichlich vage Beziehung. War sie je schon einmal dermaßen müde gewesen? Sie entsann sich nicht.
Auch das war seltsam. Sie sah sich gern als Frau, die nichts vergaß.
Vermutlich hatte sie eine Art von Offenbarungserlebnis erwartet. Ein Fünkchen Genugtuung. Ein kleines bißchen Triumph. Vielleicht fühlte sie sich deshalb so desorientiert. Denn nichts dergleichen war geschehen.
Ihre Augen konnten schlichtweg nicht mehr geradeausgucken, und wiederholt spürte sie von den Schläfen ausgehenden, leichten Schwindel.
Die Wirklichkeit, die sie bisher stets gekannt hatte, war einer radikalen Wandlung unterzogen worden doch Lane Harbinger vermochte an nichts anderes mehr zu denken, als sich endlich langlegen zu dürfen.
Sie brauchte Hype. Koffein. Verdammt, sie mußte sich etwas spritzen. Womöglich behielt sie dann über die Situation den erforderlichen Überblick.
Nach einigen Schlucken Kaffee, der so heiß aus dem Automaten kam, daß jeder andere Mensch sich die Zunge verbrüht hätte, merkte sie, daß Hashi Lebwohl tobte.
Er rannte vor Sicherheitschef Mandich auf und ab, als hoffte er, Mandich wäre die Ursache seines Furors zu verstehen fähig – als hätte er vergessen, daß Mandich zur Operativen Abteilung zählte und daher nahezu selbstverständlich als fast hirntot galt. Im ersten Moment hörte sie – scheinbar zusammenhanglos – Vorwürfe wie ›Verantwortungslosigkeit‹, ›Arroganz‹ und ›Größenwahn‹. Größenwahn, ha! Davon mußte ausgerechnet er anfangen. Doch sobald sie aufmerksamer hinhörte, konnte sie wieder mehrere Wörter hintereinander verstehen.
»…mir eine Funkverbindung zu verweigern…!« Etwas regte sich in Lane Harbingers Magengegend, das auf Übelkeit hinauslief. Auch ihre Desorientierung verschlimmerte sich spürbar.
»Meines Erachtens wird Direktorin Donner einen guten Grund haben«, entgegnete der Sicherheitschef ungehalten. Er mußte genauso müde wie Lane Harbinger sein, sah aber nicht danach aus. Vielmehr hatte man von ihm unwillkürlich den Eindruck, als wollte er Hashi Lebwohl verprügeln.
»Natürlich hat sie einen guten Grund!« wetterte Lebwohl. »Sie ist ja befehlshabende VMKP-Direktorin« er äußerte die Bezeichnung mit allen Anzeichen der Häme – »und genießt es offensichtlich. Sie ist bekanntlich eine Anhängerin rigider Kontrollmacht. Und ist das nicht der ganze Sinn der OA?« Er fuchtelte mit den dünnen Armen. »Deshalb darf von jetzt an ohne die Erlaubnis Ihrer Hoheit niemand mehr atmen, denken oder schei ßen!« »Was ist los, Direktor Lebwohl?« hörte Lane Harbinger sich zu ihrer eigenen Verblüffung fragen. Sie hatte nicht geahnt, daß sie noch über genügend Kraft verfügte, um Konfusion zu empfinden.
Er fuhr mit solchem Ungestüm herum, daß ihm die Brille von der Nase flog. Doch er fing sie geschickt mitten aus der Luft und setzte sie wieder auf.
»In ihrer überragenden Weisheit lehnt Min Donner es ab«, knurrte er in wüstem Ton, »mich mit Koina Hannish zu verbinden.“
Ach herrje. Das war wirklich ein Problem. Wofür sollte alles von Nutzen sein, was Hashi Lebwohl, Mandich und sie geleistet hatten, wenn sie keine Gelegenheit erhielten, das Regierungskonzil darüber zu unterrichten?
»Das ist unwahr, Sie wissen es doch selbst«, schnauzte darauf Mandich. Die blinde Ergebenheit von Donners Untergebenen hatte
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