Amnion Omnibus
Angus wandte sich ab. Er hatte jetzt soviel Zuspruch bekommen, wie er verkraften konnte. Es rührte ihn zu tief. Davies den Rücken zugekehrt, öffnete er die Tür des Krankenreviers.
»Richt’s ihr einfach aus.« »Mach ich«, versprach Davies.
»Dann schaff Mikka Vasaczk hier raus.« Angus deutete in den Korridor. »Dios und ich müssen los.« Davies verzichtete auf jede weitere Bemerkung. Er klammerte sich an einen Haltegriff und zog Mikka Vasaczk durch die Tür, beschrieb mit ihr eine Drehung, die sie beide zum Lift befördern sollte.
Gleichzeitig beeilte Angus sich, zur Brücke zu kommen.
Er fühlte sich erst wieder erleichtert, nachdem Davies die Verletzte ins Kommandomodul gebracht hatte; als Dios an Bord gekommen war und Dolph Ubikwe den Interspatium-Scout aus den Befestigungsvorrichtungen entließ. Doch sobald die Bordsysteme der Posaune unter Angus’ Händen die Funktionen aufnahmen, der Andruck des Schubs ihn von neuem in den Andrucksessel preßte, da stieg auch seine Stimmung erneut an.
Morn, Davies und seine Schwäche gehörten nun der Vergangenheit an. Er war fertig mit Polizisten, Befehlen, Staatsgewalt und dem Dasein in Furcht. Der Zeitpunkt war da, um die Kluft zu überspringen, die ihm seiner Lebtag lang die Flucht nach vorn verwehrt hatte.
Kaum hatte Warden Dios im Sessel des Ersten Offiziers Platz genommen und sich angegurtet, gab Angus schonungslos Vollschub. Die Posaune raste wie ein Geschoß des Verderbens auf die VMK-GD zu. Es bereitete ihnen keine Schwierigkeiten, die größte Raumstation der Erde zu erreichen. Min Donners Artilleriefeuer hatte den VMK-Firmensitz praktisch jeder Verteidigungsmöglichkeit beraubt. Tausende von Menschen hatten den Beschuß überlebt; soviel stand anhand der bloßen Vielzahl von Alarmmeldungen, die von der GD ausgingen, und durch den Umfang des Notruffunkverkehrs eindeutig fest. Aber die Waffen der Orbitalstation waren zerstört worden. Die Stromversorgung war weitgehend ausgefallen. Abgesehen von der Möglichkeit, ein EA-Team auszuschicken, konnte Holt Fasner beziehungsweise sein Betriebsschutz – nichts unternehmen, um zu vereiteln, daß Angus Thermopyle und der VMKP-Polizeipräsident in einem der Shuttle-Hangars festmachten, die sich in der Nabe der torusförmigen, in steter Rotation begriffenen GD befanden.
Angus war sich ganz sicher, daß Fasner sich noch in der Orbitalstation aufhielt. Unmittelbar nach dem Abflug vom Kommandomodul der Rächer hatte er die gro ße Station mittels sämtlicher Sensoren und Partikelanalysatoren gescannt, über die die Posaune verfügte, sie nach Anzeichen für ein gelungenes Entwischen des Drachen abgesucht. Seine Instrumente konnten jetzt auf die Unterstützung durch die das ganze Sonnensystem erfassenden Großortungsanlagen der Erde zurückgreifen: Schon wenige Minuten nach der Vernichtung der Stiller Horizont hatte Min Donner ihr Wiedereinschalten angeordnet. Angus konnte von jedem Raumschiff und jeder Orbitalstation, jeder Signalbake und jedem Scanningrelais rings um den Planeten Daten anfordern. Auf den Monitoren sah er, daß mehrere Dutzend Kosmo-Kapseln unterschiedlicher Abmessungen von der GD abgelegt hatten – von denen die meisten Kurs auf das VMKP-HQ oder die Astrolabor-Station hielten und nur eine Handvoll langsam der Anziehungskraft hinab zur Erdoberfläche folgten –, aber kein einziger Raumflugkörper war auf eine Trajektorie zur Grenze des Sonnensystems und zu den freien Fernen des weiten Weltalls eingeschwenkt.
Wenn Fasner sich absetzte, dann nicht mit einer Kosmos-Kapsel; keine gewöhnliche Kosmokapsel könnte seinen Schatz an Daten und Geheiminformationen aufnehmen. Und er flöge kein Ziel an, wo man ihn, sobald er anlegte oder landete, umgehend verhaftete. Folglich mußte er noch greifbar in der Nähe sein, während Angus die Posaune in die erstbeste leere Parkbucht bugsierte und anflanschte.
Angus fuhr den PulsatorAntrieb nicht ganz herunter: Er wünschte den Interspatium-Scout für den Fall, daß er ihn dringend benötigte, bereit zum Durchstarten zu haben. Allerdings sperrte er die Kommandokontrollkonsole mit einem Zugangscode, damit niemand außer ihm – nicht einmal Warden Dios – sich das Raumschiff unter den Nagel reißen konnte.
»Und nun?« wandte er sich in erneuertem Eifer und Tatendrang an Dios.
Seit er an Bord war, hatte der Polizeipräsident kein Wort gesprochen. Er hüllte sich im Andrucksessel des Ersten Offiziers in Schweigen, als hätte er sich mit einem Schutzfeld
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