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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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ich zu Ihnen ins Studio.«
    Jan stieg langsam von dem Lederhocker, auf dem er während des Gespräches wieder Platz genommen hatte. Ging drei Schritte zurück, bis er mit dem Rücken an der Außenwand stand.
    So weit wie nur möglich von Kitty entfernt. Er sah auf die Waffe in seiner Hand. Sie zielte schon lange nicht mehr auf seine letzte Geisel. Sein rechter Arm spiegelte seine gesamte Verfassung wider. Er hing schlaff nach unten. Und Ira schien es nicht viel besser zu gehen. Allein in der letzten Minute hatte sie ihre Sätze dreimal wegen eines Hustenanfalls unterbrechen müssen. »Also gut«, sagte er schließlich und sah zum ersten Mal seit Beginn des Telefonates Kitty wieder direkt in die Augen. Hoffnung blitzte auf. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
    »Wie sehen uns in fünf Minuten, Ira. Keine Tricks.«

18.
    Leonis weiße Bluse verfärbte sich blutrot. Ungläubig sah sie an sich herab. Auch Maja auf ihrem Schoß war vollständig besudelt.
    Warum beginnen die Turbulenzen immer dann, wenn die Stewardess die Getränke ausschenkt? Sie tupfte zuerst das Gesicht ihrer Tochter und dann ihr eigenes Oberteil mit der kleinen Papierserviette ab, die um das Plastikbesteck gewickelt war. Vergeblich. Der Appetit auf das mikrowellenerhitzte Hühnchen war ihr sowieso vergangen. Erst bekam sie eine neue Identität verpasst und musste Barcelona ohne Vorwarnung verlassen. Dann sah sie ihr eigenes Konterfei auf allen Fernsehkanälen und musste damit rechnen, spätestens von den Schweizer Behörden in Gewahrsam genommen zu werden. Und jetzt schlugen die Wellen der Vergangenheit wie eine Sturmflut über ihrem Kopf zusammen. Jan May.
    Entweder er wollte sie wirklich umbringen. Oder es gab etwas, von dem sie nichts wusste. So oder so war sie in Gefahr, und sie hatte nicht vor, dieser Ira Samin zu trauen, von der sie bisher nur die Stimme am Telefon kannte. Nichts in aller Welt würde sie zurück in die Höhle des Terrors bringen. Zurück nach Berlin. Dort, wo ihr Vater nur darauf wartete, sie zu ermorden. Ihr Magen rumorte, als hätte sie etwas Verdorbenes gegessen, und der bittere Geschmack in ihrem Mund verstärkte das Gefühl. Die Anschnallzeichen erloschen, und sie wollte aufstehen, um sich rasch auf der Toilette den Tomatensaft wieder auswaschen. Leoni platzierte ihre Tochter sanft auf den Nachbarsitz. Zum Glück saß niemand neben ihnen. Überhaupt war der Flug nach Zürich nur mager ausgelastet. Sie schob die linke Armlehne ihres Fensterplatzes nach oben, kroch an Maja vorbei und wollte sich gerade vollständig aufrichten, als eine schwere Hand sie wieder auf den Gangplatz drückte. »Miss Henderson?«
    »Was erlauben Sie sich?«, antwortete sie auf Englisch. Die Rollenspiele waren ihr seit den Ereignissen der letzten Jahre in Fleisch und Blut übergegangen. »Sie dürfen Ihren Platz leider nicht verlassen.«
    »Mit welcher Begründung?« Sie schüttelte die sonnengebräunte Hand des Copiloten von ihrer Schulter. »Ich fürchte, Sie stellen ein Flugsicherheitsrisiko dar, und ich fordere Sie eindringlich auf, sich nicht vom Fleck zu bewegen, sonst muss ich Sie leider ruhig stellen.« Erschrocken nahm sie den Elektroschocker zur Kenntnis. Der kräftige Pilot hielt ihn so, dass niemand aus den da-hinterliegenden Reihen ihn sehen konnte. »Bitte machen Sie uns keinen Ärger.«
    »Aber was soll das? Ich habe nichts getan.«
    »Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe entsprechende Anweisungen von der Bodenkontrolle erhalten.«
    »Welche Anweisungen.«
    Die Maschine sackte zwei Meter ab, doch Leoni war zu abgelenkt, um deshalb in ihre übliche Flugangst zu verfallen. Was ging hier vor sich? In welchem Team spielte dieser Mann? Sollte ihr Vater etwa auch hier seine Schergen eingeschleust haben?
    Die Antwort erhielt sie durch die Borddurchsage, die ihre Gedanken unterbrach, während der Copilot einer Stewardess den Weg freimachte, die sich neben ihren Sitz in den Gang stellte. Auch sie hielt einen Elektroschocker in der Hand.
    »Meine Damen und Herren, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit. Aus Gründen der nationalen Sicherheit, die wir leider nicht näher erläutern können, haben wir soeben die Anweisung erhalten, unseren Flugplan zu ändern. Wir fliegen nicht, wie vorgesehen, nach Zürich. Unser Flug wird nach Berlin-Tegel umgeleitet.« Die aufrichtigen Entschuldigungen des Piloten für die damit verbundenen Unannehmlichkeiten, gingen in dem Tumult der etwa fünfzig aufgebrachten Passagiere unter. Leoni sah nach draußen auf die

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