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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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rechten Handgelenk. Einen Schritt weiter sah sie in das erstaunte Gesicht ihrer Tochter.
    Er hat ihr dasselbe befohlen, dachte Ira anerkennend. Auch Kitty musste rückwärtsgehen. Durch den simplen Trick waren sie abgelenkt, wehrlos und konnten sich nicht absprechen. Außerdem sah Jan auf diese Weise, ob sie eine Waffe am Körper trug. »Jetzt wieder umdrehen. Beide, sofort.« Auch das war wieder ein genialer Schachzug. Ira konnte Kitty nur ein flüchtiges Lächeln zuwerfen, was vermutlich noch beängstigender aussah, als wenn sie geweint hätte. Auch Kittys Gesicht war zu einer Maske erstarrt, als wäre es das Produkt eines unfähigen Schönheitschirurgen.
    Ira wandte sich, so langsam es ging, von ihrer Tochter ab und drehte sich im Halbkreis zu Jan. Zu kurz. Die Zeit reichte nicht aus, um zu überprüfen, ob es Kitty gut ging. Geschweige denn, um ihr ein Zeichen zu geben. »Sehr schön«, sagte Jan, als Ira ihm in die Augen sah. »Jetzt einfach weitergehen. Kitty zum Ausgang«, er richtete seine Waffe auf Iras Stirn, »und Sie kommen zu mir.«

21.
    Das Satellitentelefon klingelte, als Marius Schuwalow das Klopapier an der Kasse aufs Band legte. Es war ihm nicht peinlich, bei Aldi einkaufen zu gehen. Im Gegenteil: Er genoss die ungläubigen Blicke der anderen Kunden, wenn er seine Limousine auf dem Parkplatz abstellte. Einige erkannten ihn. Schließlich geisterte sein Bild gerade jetzt vor dem Prozessauftakt durch sämtliche Zeitungen. Deshalb musste er selten lange an der Kasse warten. Irgendjemand ließ ihn immer vor.
    Marius genoss den kurzen Ausflug in das reale Leben. Mindestens einmal pro Woche fuhr er in die Schmargendorfer Filiale und beobachtete das Fußvolk. Er unterhielt sich mit den pickligen Angestellten, machte verschüchterte Hausfrauen auf ein Sonderangebot aufmerksam und sonnte sich dabei in der Gewissheit, täglich mehr Geld für sein Abendessen auszugeben, als viele Aldi-Kunden in einer Woche verdienten. Allein die Kautionszahlung, die er hatte hinterlegen müssen, würde den meisten hier ein Leben ohne Arbeit ermöglichen. »Lagebericht!«, meldete er sich kurz angebunden. Er wartete jetzt schon seit einer halben Stunde auf diesen Anruf.
    »Kitty ist frei. Ira befindet sich an ihrer Stelle im Studio.«
    »Gut. Dann läuft ja alles wieder nach Plan.« Marius nahm eine kleine Dose koffeinfreien Instant-Kaf-fees aus dem Einkaufswagen. Vor ihm musste ein kleines Mädchen noch ihren Einkauf bezahlen. Anscheinend reichte das Geld nicht aus, das ihr die Mutter mitgegeben hatte.
    »Ja. Die Tochter wird zurzeit verhört.«
    »Hat sie was gesehen?«
    »Wissen wir noch nicht. Es ist eher unwahrscheinlich. Die anderen Geiseln haben auch nichts mitbekommen.«
    »Gut. Trotzdem müssen wir uns um sie kümmern.« Marius achtete nicht besonders auf seine Wortwahl. Die Satellitenleitung war abhörsicher.
    »Moment mal.« Er klappte die Antenne ein und legte das graue Telefon zu seinen anderen Sachen auf das Förderband. Dann beugte er sich zu dem kleinen brünetten Mädchen runter. Es war etwa sieben Jahre alt, trug ihre halblangen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und zitterte am ganzen Körper.
    »Was hast du denn, Kleine?«, fragte Schuwalow freundlich. Seine manikürte Hand tätschelte ihr Köpfchen. »Ihr fehlt ein Euro«, antwortete die Kassiererin. »Das ist doch kein Problem, Prinzesschen«, lächelte Marius und drehte das zierliche Kinn des kleinen Mädchens zu sich. »Nimm deine Sachen und sag Mami, sie muss das nächste Mal besser rechnen, ja?« Die Kleine nickte.
    »Ich übernehme das«, erklärte er der Angestellten und nahm ein Überraschungsei aus der Auslage neben der Kasse.
    »Das hier ist auch für dich, meine Süße.« Er legte es dem Mädchen in seine geöffnete Hand. Sie hatte aufgehört zu weinen.
    Marius klappte die Antenne des Satellitentelefons hoch und setzte sein Gespräch fort. »Wo wird Kitty jetzt hingebracht?«
    »Dort, wo der Chefredakteur Diesel auch gerade auf seine Operation wartet. In die Charité.«
    »Haben wir da einen unserer Männer?«
    »Noch nicht.«
    »Dann veranlass das. Sofort!« Marius winkte dem Mädchen hinterher, das mit einer schweren Tüte zum Ausgang zog. Sie hatte sich noch einmal zu ihm umgedreht und lächelte jetzt wieder.
    »Das macht zwölf Euro neunundvierzig bitte«, sagte die Kassiererin. Schuwalow reichte ihr wortlos einen Fünf-hundert-Euro-Schein.
    »Was ist mit Leoni?«, fragte er, während die Kassiererin verärgert das enorme Wechselgeld

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