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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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sind doch alles nur Spekulationen und keine Fakten. Was, wenn es keine Beziehungen der Geiseln untereinander gibt? Wenn sie der bloße Zufall zur falschen Zeit ins falsche Studio geführt hat? So wie bei Stuck. Es heißt, jeder Mensch auf der Welt sei mit jeder anderen Person um maximal sechs Ecken bekannt. In dieser Stadt ist es also ganz normal, wenn in einem Raum mit sieben Personen vier davon gemeinsame Kumpel haben. Ein Freund von mir zum Beispiel pokert mit dem Rauschgiftkönig von Berlin. Bin ich deshalb ein Mitglied des organisierten Verbrechens?« Steuer wollte etwas sagen, doch Götz ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Wir müssen Jan May trotz dieser Beweislage weiterhin als brandgefährlich einstufen. Ich werde meine Männer nicht reinschicken, ohne sie dahingehend zu instruieren, dass der Wahnsinnige verkabelt ist wie ein Abrisshaus kurz vor der Sprengung.«
    »Dagegen ist auch nichts einzuwenden«, entgegnete Steuer. »Vorsicht ist sicher angebracht. Doch ich halte Jan May für einen ungefährlichen Spinner. Vermutlich hält er den Moderator und seinen Produzenten mit einer Wasserpistole in Schach.«
    »Sie vergessen die scharfe Waffe von Stuck. Und die Pis-tole, die Onassis runterwerfen musste, als die Aktion im Lüftungsschacht misslungen ist. Tut mir leid, aber ich kann Ihre Sichtweise nicht teilen.«
    »Hab ich zur Kenntnis genommen. Aber das ändert nichts an meinem Entschluss.«
    »Und der wäre?«
    »Wir gehen rein. In fünfzehn Minuten.«

28.
    Götz eilte Ira hinterher, nachdem sie fluchtartig aus dem Konferenzraum gestürmt war. »Ira, warte!«
    Er konnte sich denken, was in ihr vorging, während sie zu den Fahrstühlen hastete. Stuck war tot, und sie wusste es aus erster Hand. Nur konnte sie keinem von dem Augenzeugen erzählen. Wenn herauskam, dass Ira die Existenz einer achten Geisel verschwieg, die zudem noch ihre Tochter war, würde Steuer sie womöglich sogar in Gewahrsam nehmen. Der Konflikt musste sie innerlich zerreißen. Sollte sie ihren Job erledigen und Jan ablenken, während das SEK stürmte? Oder müsste sie es verhindern, indem sie die Karten auf den Tisch legte? Danach könnte sie jedoch nichts mehr unternehmen, um Kitty zu helfen. In beiden Fällen riskierte sie also das Leben ihrer Tochter.
    »Wo rennst du hin?« Götz hatte sie fast eingeholt. »Komm mit!«, antwortete sie, ohne sich nach ihm umzudrehen.
    Er schloss zu ihr auf und berührte sie sanft mit dem Zeigefinger im Nacken. Sie blieb abrupt stehen, als hätte er einen unsichtbaren Stopp-Schalter gedrückt. Er kannte diese Stelle. Wie oft hatte er sie früher dort angefasst, gestreichelt, geküsst. Jedoch noch nie unter so extremen Umständen.
    »Es tut mir so leid, Ira«, sagte er. »Steuer macht einen Fehler. Vermutlich hat er Druck von oben bekommen. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich ihn jetzt noch umstimmen kann. Zumal in der kurzen Zeit. Ich müsste längst mein Team einweisen.«
    Sie drehte sich zu ihm herum. Unter ihren dunklen Augen lagen noch dunklere Ringe, die auf eine bizarre Art mit den Hitzeflecken auf ihren Wangen harmonierten. »Dann geh. Aber lass mir das Funkgerät da.« Sie zeigte auf die ausgebeulte Seitentasche seiner Tarnhose, in der er das UPS-Funkgerät trug. »Was hast du vor?«
    Ira zog sich ihr T-Shirt aus der Cargo-Hose und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. Obwohl es eine völlig unpassende Situation war, wünschte Götz, er dürfe ihren Bauchnabel berühren.
    »Ich muss mit ihr sprechen«, sagte sie schließlich. »Mit Kitty.«
    »Was soll das bringen?«
    »Sie ist die Einzige, die uns jetzt helfen kann, die richtige Entscheidung zu treffen.«
    »Was ist jetzt schon wieder los?«
    Kittys Stimme war brüchig, weil sie schon so lange kein Wort mehr gesagt hatte und jetzt flüstern musste. Das passte zu ihrer allgemeinen Verfassung. Durch die unbequeme Sitzhaltung unter der Spüle waren all ihre Muskeln zu einem einzigen Krampfbündel verschmolzen. Außerdem hatte sie Durst. Ihr Kopf dröhnte, und überhaupt fühlte sie sich wie kurz vor Ausbruch einer schweren Erkältung. Selbst die Batterieleuchte ihres Funkgerätes flackerte fiebrig. Lange konnte es nicht mehr dauern, dann war der Empfang verschwunden.
    »Du musst mir helfen, Liebes.« Ihre Mutter sprach ebenso leise wie sie.
    Die Wärme ihrer Worte berührte Kitty auf eine völlig ungewohnte Art und Weise. Wie eine angenehme Massage. Sie wollte es sich selbst nicht eingestehen. Aber zu wissen, dass es da draußen

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