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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Fotomontage ist. Der neunzehnte September war ein Mittwoch. Wie heute. Ich fliege gerade über die Straße, und Habicht hat mich überzeugt: Jeden Mittwoch wird da aufgebaut. Ich kann es gerade sehen.«
    »Wer ist Habicht? Und was wird aufgebaut?«
    »Habicht ist der Pilot des 101Punkt5-Verkehrsfliegers. Und ich rede von den Marktständen. Mittwoch ist Markttag. Wer immer das Bild gemacht hat, hat das übersehen. Ein Fehler, verstehen Sie? Die Autos können zu dieser Uhrzeit an diesem Ort nicht geparkt haben. Es müssen Archivbilder sein, die man zusammengeschraubt hat.«
    Vier Minuten zu spät. Unter Steuers wütenden Blicken hastete Ira gemeinsam mit Götz in den Konferenzraum zu der eilig anberaumten Sonderbesprechung der Einsatzleitung.
    Das war ja unglaublich! Unfassbar, was Götz ihr von Diesels Erkenntnissen berichtet hatte.
    »So wie der Teamchef sind wir alle heute in Eile, also fangen wir gleich an, meine Herren.«
    Sie registrierte müde, dass Steuer sie soeben ganz bewusst in seiner Ansprache ignoriert hatte. Ira war die einzige Frau in dem abgedunkelten Konferenzraum. Mit ihr und Götz saßen noch Steuers unrasierter Assistent, der ausrangierte Verhandlungsführer von Herzberg und zwei weitere Beamte an dem lang gestreckten Milchglastisch, an dessen Kopfende der Einsatzleiter stand, als wäre er der Vorstandsvorsitzende eines internationalen Großkonzerns.
    »Ich will Sie kurz mit den neuesten Ermittlungsergebnissen vertraut machen. Danach werden Sie alle von mir in die nächsten logischen Schritte eingeweiht.« Steuer benutzte eine kleine Fernbedienung, die in seiner behaarten Pranke wie ein Miniaturfeuerzeug aussah. Ein Beamer, der unter der Zimmerdecke montiert war, warf, leise summend, ein plakatgroßes Profilfoto an die Wand. Jan May. Aller Wahrscheinlichkeit nach ein offizielles Pressebild aus den besseren Tagen des Psychologen. »Unsere Ermittlungen fokussierten sich von Anfang an auf zwei Aspekte: den Täter und die Geiseln. Die Soko hat hier ganz hervorragende Arbeit geleistet.« Er nickte den beiden Beamten zu, auf die Ira jetzt zum ersten Mal traf. Sie saßen Steuer am nächsten, ganz am Ende des Tisches. Das von der Wand reflektierende Licht des Projektors überzog ihre ausdruckslosen Gesichter mit einem rotblauen Farbenspiel. Dadurch erinnerten sie Ira etwas an Zeichentrickfiguren. Sie gab den Männern vorerst die Spitznamen »Tom« und »Jerry«.
    »Und was ist mit Leoni?«, fragte sie. »Haben Sie in diese Richtung nicht ermittelt?«
    »Nun«, Steuer verdrehte die Augen, verärgert über diese Unterbrechung seiner Ausführungen, »ich dachte, das wurde Ihnen bereits von allerhöchster Stelle erklärt. Sie mögen sich in Ihrer Situation ja vielleicht an den Gedanken an ein Leben nach dem Tod klammern .« Tom und Jerry lächelten zaghaft.
    »... doch wir haben keine kostbare Zeit mit der Überprüfung einer Toten verschwendet.«
    Die Ermittler nickten heftig und grinsten breiter. Ira taufte sie in »Arsch« und »Drecksack« um. »Und warum ist dann .« Götz' Hand auf ihrem Knie, ließ sie verstummen. Er hatte Recht. Steuer würde sich einen feuchten Dreck darum scheren, was Diesel über den inszenierten Unfall herausgefunden hatte. Sie winkte ab, als der Einsatzleiter fragend die Augenbrauen hochzog. »Schön, wenn es nicht noch mehr qualifizierte Einwände von Frau Samin gibt, kann ich ja endlich fortfahren.« Götz ließ seine Hand etwas länger liegen als nötig, drückte Iras Knie einmal sanft und zog sie sachte wieder zurück.
    Steuer drückte einen Knopf der Fernbedienung. Das Foto von Jan verkleinerte sich und rutschte nach links oben, womit es Platz für sieben weitere Aufnahmen machte.
    »Das sind die Geiseln. Der hier . «, Steuer zeigte mit einem Infrarotstift auf den Kurierfahrer Manfred Stuck, »... war das erste Opfer. Mal abgesehen von den Sendermitarbeitern war das wahrscheinlich die einzige wirkliche Geisel aus der Besuchergruppe.« Die beiden letzten Worte unterstrich er mit einem bedeutungsschwangeren Blick. »Was ist mit den anderen?«, wollte Götz wissen. »Die stecken vermutlich alle unter einer Decke.« Steuer begann mit einer Aufzählung, wobei er für jeden Punkt einen Finger zu Hilfe nahm. »Alle sind arbeitslos. Aber alle haben die gleiche Ausbildung: Schauspieler. Alle kennen sich aus der >Scheinbar<, einem Auftrittsort für Kleinkünstler in Kreuzberg. Und das Auffälligste: Alle haben sich erst vor wenigen Wochen in den Hörerclub von 101Punkt5 eingetragen.

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