Amokspiel
Bahnhofsklo. Mitten in den Vorbereitungshandlungen zur Flucht. Nur weil Steuer die Sache vor Ort in den Sand setzte. Der Anblick seiner lächerlichen Gestalt machte ihn nur noch wütender. Faust geriet in Rage und achtete jetzt überhaupt nicht mehr auf seine sonst so geschliffene Ausdrucksweise:
»Meinetwegen soll diese Ira Samin die ganze Stadt mit den Hurengeschichten ihrer Tochter aufgeilen. Und wenn es das Flittchen in einer Hundehütte bei Mondschein getrieben hat. Bitte! Mir egal! Soll sie alles hübsch ausbreiten. Aber jedes weitere Wort über Leoni Gregor ist zu viel, Steuer. Sie wissen, warum!«
»Ja.«
»Also. Was gedenken Sie dann jetzt zu tun?«
»Ich hoffe, wir sind in einer Stunde so weit.«
»So viel Zeit bleibt nicht mehr. Sie müssen früher stürmen.«
»Ich … ich … «, Steuer stockte. Schließlich atmete er schwer aus. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich will einfach nicht reingehen, bevor wir den Eingriff nicht sicher geprobt haben. Noch so ein Fehlschlag wie vorhin, und ich bin ohnehin am Ende.«
Faust zuckte zusammen, weil jemand von außen an der Türklinke rüttelte. Er beeilte sich mit den letzten Bündeln. Zum Glück benötigte man nicht viel Körperfläche für eine Dreiviertelmillion Euro.
»Na schön«, sagte er, als der Eindringling endlich abzog, um sich eine andere Toilette zu suchen. »Sie haben die Wahl, Steuer. Entweder Ira oder Jan. Suchen Sie sich einen aus.« Er zog sich das Unterhemd wieder an.
»Einen von beiden. Egal wen. Egal wie. Aber bringen Sie ihn zum Schweigen.«
26.
Der Probeversuch war gut verlaufen, doch Götz hatte dennoch ein schlechtes Gefühl. Eine Trockenübung, bei der man nicht unter realem Beschuss stand, war eine Sache. Die Fußbodenverkleidung von unten zu durchbrechen, eine Blendschockgranate in ein mit Geiseln besetztes Studio zu werfen und einem bewaffneten Mörder mit einem einzigen Schuss die Halswirbelsäule zu zertrümmern, eine ganz andere. Das Hartgummigeschoss durfte Jan weder töten noch verfehlen. Nur lähmen. Ansonsten würde entweder der fehlende Puls oder der Täter selbst die Katastrophe vollenden. Außerdem war da noch das Lärmproblem. Bislang war noch nicht geklärt, wie man die Bohrgeräusche übertönen wollte. Schließlich musste man sich vom achtzehnten Stock unterhalb der Studios erst durch einen halben Meter Stahlbeton und dann durch den Holzsockel fräsen, auf dem das gesamte Studio gebaut war. Und das ging nicht ohne Krach vonstatten. Götz stand vor Steuers Büro in der Einsatzzentrale, um genau dieses Problem anzusprechen, da summte der Vibrationsalarm seines Handys. »Ich hab jetzt keine Zeit, Diesel.«
»Nicht auflegen . aaaah, ich muss gleich kotzen .«
»Wie bitte?« Götz war doppelt irritiert. Einmal, weil Diesel sich sehr merkwürdig anhörte. Irgendwie krank. Außerdem vernahm er einen Propeller im Hintergrund. »Wo sind Sie denn?«
»In einer Cessna, siebenhundert Meter über Berlin. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Viel wichtiger ist . O mein Gooooott!«
Im Hintergrund hörte Götz eine irre Lache und jemanden, der »Looping« schrie. Dann hätte er schwören können, dass Diesel sich tatsächlich übergab. »Bin wieder da«, röchelte es einige Sekunden später wieder aus dem Handy.
»Okay, was gibt es denn?«, fragte Götz genervt. Er sah Steuer mit bitterernster Miene an seinem Schreibtisch telefonieren und wollte eigentlich viel lieber wissen, was den Einsatzleiter gerade beschäftigte. Doch vielleicht hatte Diesel ja wider Erwarten etwas herausgefunden. »Ich kann Ihnen die Garantie geben: Leoni Gregor hatte keinen Autounfall am neunzehnten September. Und auch nicht in dem BMW von dem Foto aus der Akte.«
»Woher wissen Sie das? Haben Sie den Sanitäter gesprochen?«
»Nein. Den hab ich nicht getroffen.«
»Hört sich auch nicht so an«, ärgerte sich Götz. Offensichtlich tat hier keiner das, was er sollte. »Erinnern Sie sich noch an das Bild vom Auto?«, wollte Diesel wissen. »Moment.«
Götz ging zu einem freien Schreibtisch und öffnete mit seinem Password den Ordner mit dem bisherigen Stand der Ermittlungen. Erstaunt nahm er zur Kenntnis, wie wenig in den letzten Stunden an neuen Daten hier abgelegt worden war. Was machte die Soko eigentlich die ganze Zeit? »Ich hab's gleich vor mir.«
»Gut. Achten Sie auf den Straßenrand. Ganz vorne im Bild. Was sehen Sie da?«
»Parkende Autos?«
»Richtig. Und genau das ist der Beweis.«
»Wofür?«
»Dass das Bild eine
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