Amokspiel
Der hier . «, Steuer zeigte auf das Bild eines vollschlanken Mannes mit Halbglatze, ». ist Theodor Wildenau. Er hält sich mit Computerreparaturen über Wasser. Wir nehmen an, dass er die Datenbank manipuliert hat, damit heute alle gleichzeitig an der Senderführung teilnehmen konnten.«
»Was bedeutet das für unsere Arbeit?«, fragte von Herzberg sichtlich überrascht.
»Dass wir es hier mit einem Bluff zu tun haben. Einem Fake. Einer Inszenierung. Jan May und die Geiseln arbeiten zusammen.«
»Das vermuten Sie?«, fragte Ira laut. Es war mehr eine Feststellung.
»Ja. Und wir haben für diese Vermutung gute Gründe: Alle Geiseln hatten zumindest indirekt schon früher Kontakt zum Täter. Jan May behandelte lange Zeit den Besitzer der >Scheinbar<. Eine weitere Verbindung beweist auch ein Blick auf die Konten. May hat vor drei Wochen mehrere Sparfonds aufgelöst. Insgesamt wurden zweihunderttausend Euro in bar abgehoben. Vier Geiseln. Das wären fünfzigtausend Euro für jeden.«
»Moment mal. Sind die vier vorbestraft?«, meldete sich Götz erstmals zu Wort.
»Nicht der Rede wert.« Das Beamerlicht flackerte gespenstisch über Steuers Vollmondgesicht, während er vor dem Konferenztisch auf und ab ging. »Das Pärchen wurde mal auf einer Demo zum ersten Mai mit Steinen in der Hand erwischt. Die Schwangere kifft gern mal beim Autofahren. Aber mehr als Verwarnungen sind nicht registriert.«
Ira stöhnte auf. Das kann doch nicht sein Ernst sein? »Moment mal«, unterbrach sie ihn. »Wollen Sie uns ernsthaft erzählen, dass vier bislang unauffällige Berliner auf einmal zu Schwerstkriminellen werden, nur weil Jan May ihnen fünfzigtausend Euro anbietet?« Steuer nickte.
»Meine Überlegung ist wie folgt: May ist durchgeknallt, aber nicht gemeingefährlich. Er überredet eine naive und überschuldete Laienschauspieltruppe, ihm zu helfen. Sie glauben ihm, dass Leoni noch lebt. Da unsere arbeitsscheuen Freunde auf den Staat eh nicht gut zu sprechen sind, akzeptieren sie Jans Verschwörungstheorie. Vielleicht wollen sie aber nur das Geld. Egal. Als er ihnen einen gewaltlosen Ablauf verspricht und die fünfzigtausend Euro pro Nase auf den Tisch legt, ist alles geregelt. Sie spielen die Rolle ihres Lebens und mimen zum Schein die Geiseln.«
»Und wie passt der tote UPS-Fahrer ins Bild?« Von Herzberg schaltete sich wieder ein.
»Gar nicht. Aber genau das ist ein weiterer Beweis für die Richtigkeit unserer Annahmen. Denn eine Computeranalyse ergab, dass Manfred Stuck ursprünglich gar nicht für diese Senderführung vorgesehen war. Er wurde erst in letzter Sekunde eingeladen, und das auch nur aus Versehen. Eigentlich sollte Stuck Kinotickets bekommen. Eine Aushilfe vertauschte die Formblätter und schickte den falschen Gewinn raus.«
Ira wusste genau, was in Steuers Bürokratenhirn gerade vor sich ging. Er sprach nicht nur zur Mannschaft, sondern auch zu sich selbst. Mit jedem Wort glaubte er immer mehr an die Überlegungen, die er sich vorhin erst am Schreibtisch zurechtgelegt hatte.
»Wahrscheinlich geriet Jan in Panik, als er den Fremden sah. Wie auch immer. Er hielt sich nicht an die Absprachen. Er musste den einzigen Mann ausschalten, der alles auffliegen lassen konnte. Kollegen bei UPS berichten übrigens, Stuck sei ein Hitzkopf und ein Waffennarr gewesen. Der Mann bedrohte von der ersten Minute an die Pläne des Täters.«
»Das würde bedeuten, Jan wäre tatsächlich gemeingefährlich«, warf Ira ein. »Wir dürfen ihn und die Bedrohungslage also nicht unterschätzen.«
Steuer winkte verächtlich ab und sah Ira an wie eine Fliege, die in seinen Kaffee gefallen war. »Es gibt aber noch eine andere denkbare Variante. Eine noch viel wahrscheinlichere: Stuck ist gar nicht tot. Wir haben im Radio möglicherweise nur ein Hörspiel erlebt. Es gibt keine Zeugen für den Mord. Doch, dachte Ira. Meine Tochter.
»Was spricht für diese These?«, wollte Herzberg wissen. »Wir haben Jans E-Mail-Bewegungen der letzten Monate überprüft. Er hat sich online in spanischen Militaria- Shops Waffen- und Sprengstoffattrappen gekauft. Darunter auch eine Betäubungspistole. Gut möglich, dass er der beste Schauspieler von allen ist. Nicht ohne Grund hat er Stuck in den Nebenraum geführt.«
»Einspruch!«, ergriff Götz das Wort und stand auf. Ira war fast erschrocken, als sie sein ärgerliches Gesicht sah. Götz' gesamter Körper war angespannt. Sie hatte ihn noch nie so wütend erlebt.
»Bei allem Respekt - aber das
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