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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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erstreckte sich über die gesamte Fläche eines Raums mit einem Durchmesser von über zwanzig Meter und einer Höhe, die fast dreißig Meter betragen musste. Zu unserer Linken befand sich ein langer Rezeptionsschreibtisch aus Kirschholz, kunstfertig von Hand mit einem Taubenschwarm beschnitzt. Luxuriöse Sofas und Sessel aus schwarzem Leder waren kunstvoll im Raum angeordnet, außerdem mehrere Glasschaukästen, gefüllt mit Statuen, Gemälden und sonstigen offenbar wertvollen Stücken. Besonders hingezogen fühlten sich meine Augen zu einer Anordnung juwelenbesetzter Schwerter auf einem Teppich aus antiken Goldmünzen.
    Alle Sitzgelegenheiten und Schaukästen waren zur Nordmauer hin ausgerichtet, wodurch mein Blick auf einen riesigen, drei Meter hohen Kamin in der bunten Feldsteinwand fiel. Zu beiden Seiten des Kamins hingen fünfzehn Meter hohe Wandteppiche. Beide zeigten prunkvoll die majestätisch aufgehende Sonne über den Spitzen zweier gottgleich ausgestreckter Hände.
    Ich hatte mich noch nie in einem solchen Raum aufgehalten. Er war einfach unglaublich, atemberaubend in seiner Schönheit, besonders im Vergleich zum schäbigen, verfallenden Äußeren des Gebäudes. Zuvor hatte ich diesen Ort in Gedanken mit einer mittelalterlichen Burg statt mit einer Klinik verglichen; der Anblick des gewaltigen Kamins und der erlesen gewobenen Wandteppiche verstärkte den ursprünglichen Eindruck nur.
    Was mag all diese Extravaganz gekostet haben? Diesem Arzt muss das Geld beim Hintern rausquillen!
    Allein dieser Raum musste ein Vermögen gekostet haben. Vielleicht waren acht Millionen für uns Loser doch keine so große Summe, wie ich zuvor gedacht hatte.
    Drake führte uns an der Rezeption vorbei durch den Vorraum in einen kleineren Raum, den ich auf den ersten Blick irrtümlich für ein Kino hielt. Fünf Reihen von Stühlen mit hohen Lehnen waren in einem Halbkreis nach unten abgestuft zu einer großen weißen Projektionsleinwand hin angeordnet. Rechts neben der Leinwand stand eine erhöhte Holzkanzel mit einem daran befestigten silbrigen Mikrofon, das für jemanden gedacht war, der sich an die Anwesenden wandte. Offensichtlich handelte es sich bei dem Zimmer um eine Art Konferenzraum, in dem Besprechungen, Medienveranstaltungen und Videopräsentationen abgehalten werden konnten.
    »Alle hinsetzen«, befahl Drake. »Dr. Marshall wird gleich hier sein und alles mit euch durchgehen. Falls ihr Fragen habt, ist das der richtige Zeitpunkt, sie zu stellen. Am Ende jeder Reihe ist Platz für Rollstühle. Ihr anderen beiden hockt euch hin, wo ihr wollt.«
    Ich half Rotbart, sich am Ende der dritten Sitzreihe niederzulassen, dann pflanzte ich mich einige Stühle nach innen versetzt in dieselbe Reihe. Rolli fuhr die Rollstuhlrampe hinunter zur ersten Reihe, während Bill hinten auf der gegenüberliegenden Seite des Gangs Platz nahm.
    »Gut«, meinte Drake. Er spähte in den Vorraum, lächelte und winkte jemandem zu, dann ging er die Rollstuhlrampe hinunter in den vorderen Bereich des Raums. »Also, keine lange Einleitung, denn ich bin kein guter Redner, aber es ist an der Zeit, dass ihr den Mann kennenlernt, der dafür verantwortlich ist, dass ihr heute hierher gebracht worden seid. Es ist mir ein Vergnügen, euch den brillantesten Mann vorzustellen, den ich kenne. Behandelt ihn anständig, oder ich schlage euch die Schädel ein.« Er deutete zur Tür. »Dr. Nathan Marshall.«
    Drake hatte recht; ein großer Redner war er wahrhaftig nicht, aber die Einleitung genügte trotzdem. Wie alle anderen drehte ich mich um, als Nathan Marshall den Raum betrat.
    Ich bezweifle, dass ich als Einziger überrascht war, einen Mann zu sehen, der gemütlich in einem blauen Metallrollstuhl mit glänzenden Chromreifen saß, die Beine unter einer dünnen gelben Wolldecke verborgen.
    Ein flüchtiger Blick zu Bill, Rotbart und Rolli bestätigte, dass offenbar niemand von uns von der Behinderung des guten Doktors gewusst hatte. Nicht, dass es wirklich wichtig gewesen wäre – ich hatte ihn mir bloß anders vorgestellt.
    Allerdings war er genauso gut aussehend, wie Drake angedeutet hatte. Dichtes, gewelltes schwarzes Haar krönte sein schmales, adelig wirkendes Gesicht. Er musste mindestens sechzig Jahre alt sein, wirkte aber bedeutend jünger, wenn man ihn nicht allzu genau musterte. Ich denke, es lag an den Augen – ausdrucksstarke, stechende blaue Augen, in denen ein leichter Hauch von Grün mitschimmerte. Seine Haut war ziemlich blass, was jedoch

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