Amputiert
Wie du schon sagtest, die Arme brauche ich.«
»Ich auch«, sagte der Rotbärtige. »Nur verkaufe ich mein rechtes Bein. Kann es ohnehin nicht mehr gebrauchen, also kann ich genauso gut das Geld dafür einstreifen, oder?«
Moment mal, Mike. Was ist hier los?
Ich wandte mich dem anderen Kerl zu, der still an der Eingangstür stand. »Was ist mit dir? Was verkaufst du?«
»Meinen linken Arm. Ich dachte, ihr anderen tätet das auch. Spielt aber keine Rolle, solange wir alle unser Geld bekommen.«
Damit hatte er wohl recht. Eigentlich spielte es wirklich keine Rolle. Es hatte mich nur im ersten Moment unvorbereitet getroffen, das war alles.
»Stimmt schon. Kommt nur etwas überraschend«, meinte ich. »Zwei Arme und zwei Beine. Ich meine, dieser Ort sieht zwar aus wie Frankensteins Burg, aber niemand hat mir gesagt, dass wir hier sind, um Teile für einen Körper zu liefern, den Dr. Marshall baut.«
Es war der Versuch eines Scherzes, doch als ich die anderen betrachtete, den Blick über den schaurigen Ort wandern ließ, an dem wir waren, und darüber nachdachte, was ich gerade gesagt hatte, lachte niemand – kein Einziger.
Grundgütiger!
Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen?
TEIL DREI
Die Burg
Kapitel 7
Drake öffnete die massive Tür, die in die Klinik führte, und scheuchte uns vier hinein. Ich schob den Rollstuhl des Rotbärtigen, während der Fahrer der Limousine den anderen übernahm.
Nachdem wir uns alle im Inneren befanden und die Tür hinter uns geschlossen hatten, forderte Drake uns auf, zu warten, während er überprüfte, ob man für uns bereit sei. Kaum war er um eine Ecke gebogen, verabschiedete sich der Fahrer der Limousine rasch, verschwand durch die Eingangstür hinaus und ließ uns allein.
Es gab nichts zu tun, außer einander anzustarren und auf Drakes Rückkehr zu warten. Die Diele, in der wir uns befanden, bestand vollständig aus Beton, einschließlich des Bodens und einer Treppe, die links nach oben führte. Die Decke lag viereinhalb Meter über unseren Köpfen, und obwohl es in dem Raum vermutlich ziemlich gehallt hätte, herrschte Totenstille, da niemand ein Wort sprach. Es war so ruhig, dass ich nervös wurde, deshalb ergriff ich die Initiative und stellte mich vor.
»Der Name ist Smith«, sagte der andere Mann ohne Behinderung – derjenige, der seinen linken Arm spenden würde. »William Smith, aber ich werde lieber Bill genannt.«
»He, stellt euch vor, ich bin auch ein Bill«, ergriff der Braunbärtige das Wort, dem das rechte Bein fehlte. »Bill Tucker. Nur, damit wir nicht durcheinanderkommen – zu Hause sagen wegen des Rollstuhls die meisten Rolli zu mir.«
Wir alle waren uns darin einig, dass Rolli gut wäre.
Der Name des Rotbärtigen lautete Sinclair Halderson. Persönlich wollte ich ihn lieber weiter Rotbart nennen, und als ich es ihm gegenüber scherzhaft erwähnte, lächelte er und meinte, damit hätte er kein Problem.
»Viele Leute nennen mich ohnehin Red. Kannst du ruhig auch tun, wenn du willst, Mike.«
»Klar«, erwiderte ich. »Wir stecken zusammen in diesem verrückten Abenteuer, und könnte man bei einem Abenteuer einen besseren Gefährten haben als einen Piraten? Also bleibt es bei Rotbart.«
Wir lachten zusammen, was die Anspannung ein wenig zu lockern schien. Alle waren nervös wegen dem, was uns bevorstand, aber zumindest gingen wir richtig an die Sache ran, nämlich mit Sinn für Humor. Es fühlte sich gut an, zu lachen; wir brauchten das. Bald zogen wir einander damit auf, was wir mit all dem Geld anfangen sollten, wenn alles vorbei wäre. Dabei erfuhr ich, dass meine ursprüngliche Vermutung zutraf: Wir alle vier hatten tatsächlich auf der Straße gelebt, bevor wir Drakes Angebot angenommen hatten.
Kurz überlegte ich, wie dieser Dr. Marshall bereit sein konnte, insgesamt acht Millionen Dollar an vier Außenseiter der Gesellschaft zu löhnen. Klang das nicht nach etwas zu viel Geld, um es einfach rauszuwerfen?
Vielleicht ...
Mein Verstand begann gerade, die Dinge zu überdenken, doch dann tauchte Drake wieder auf und rief uns zu, wir sollten uns in Bewegung setzen. Unter Umständen hätte ich meinen Gedankengang weitergeführt, aber als wir ihm um die Ecke folgten, ließ mich das, was uns erwartete, hörbar die Luft einsaugen und alle noch vorhandenen Restzweifel schlagartig vergessen.
Die schmucklose Diele ging in einen prunkvollen, dreigeschossigen Vorraum mit Glasdach über. Ein auf Hochglanz polierter smaragdgrüner Marmorfußboden
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