Amputiert
halten vierhundert Dollar in einem Nobelhotel nicht lange vor, deshalb standen wir bereits am Donnerstagmorgen wieder auf der Straße und kehrten zu unserem Müllcontainer zurück. Aber gut, solange es gedauert hatte, war es toll.
Aus irgendeinem Grund brachte ich es nicht über mich, Blue J zu erzählen, was ich tun würde. Ich behauptete, das Geld für das Gelage im Hotel hätte von der Schwester meiner Frau, Gloria, gestammt, die mich aufgespürt und eingeladen hätte, sie und Arlene einige Monate zu besuchen. Blue J glaubte mir; wir saßen beisammen und redeten darüber, dass ich vielleicht wieder auf die Beine kommen und ein neues Leben mit meiner Familie beginnen würde. Ich hasste es, meinen einzigen Freund zu belügen, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an, ihm die Wahrheit zu sagen. Vielleicht dachte ich, er würde mich auslachen, als Trottel bezeichnen oder womöglich sogar mitkommen wollen. Ich wusste es nicht. Mein Plan bestand darin, zurückzukehren und ihn zu holen, sobald ich das Geld hatte. Er verdiente etwas Besseres als dieses Leben. Puckman hingegen erzählte ich überhaupt nichts, nicht einmal, dass ich froh war, ihn los zu sein. Ihn würde ich mit Sicherheit nicht retten kommen. Scheiß auf ihn.
Das Geräusch eines herannahenden Autos erregte meine Aufmerksamkeit. Als ich nach rechts schaute, erblicke ich die auf mich zusteuernde weiße Limousine. Dicht dahinter folgte ein kastanienbrauner Van, und ich stellte überrascht fest, dass beide Fahrzeuge an den Straßenrand rollten und in meiner Nähe anhielten. Die Hecktür der Limousine auf der Beifahrerseite öffnete sich, und ich ging um das Auto herum, wollte einsteigen. Drake schälte sich aus dem Fond und streckte die Hand aus, um mich aufzuhalten. Er wirkte größer und fieser, als ich ihn im Gedächtnis hatte, deutlich mehr als der bezahlte Muskelprotz, der er in Wirklichkeit war. Diesmal trug er einen schwarzen Jogginganzug und weiße Turnschuhe.
»Langsam, Mike«, brummte er. »Was soll das werden?«
Ich war verwirrt. »Na, ich komme mit, oder nicht?«
»Nicht in der Limousine, nein. Warum solltest du eine Sonderbehandlung erhalten? Steig in den Van. Du kannst mit den anderen zu Dr. Marshalls Anwesen fahren.«
Mit den anderen?
Ich schaute zu dem kastanienbraunen, etwa drei Meter entfernt stehenden Van, aber die Fenster waren zu dunkel getönt, um jemand im Inneren zu erkennen. Mein Blick heftete sich wieder auf Drake.
»Was soll das heißen, mit den anderen? Verkaufen noch andere ihre Arme?«
»Wann habe ich je gesagt, du wärst der Einzige?«
»Keine Ahnung. Ich schätze, ich dachte ...«
»Pass auf, Mike, ich habe keine Zeit, das jetzt mit dir durchzukauen. Wir sind ohnehin schon spät dran, also steig in den Van. Dr. Marshall wird alles erklären, wenn wir dort sind, in Ordnung?«
Damit kletterte Drake wieder in die Limousine und schlug die Tür zu. Ich wollte sie gerade noch einmal öffnen, um eine weitere Frage zu stellen, aber das Geräusch der Türverriegelung schob der Idee im wahrsten Sinne des Wortes einen Riegel vor. Ich war zwar immer noch verwirrt, hatte aber wenig andere Wahl, als zum Van zu gehen und zu tun, was man mir sagte.
Es war ein einigermaßen neuer Doge Caravan. Die große Schiebetür des Passagierbereichs öffnete sich in dem Moment, als ich die Hand nach dem Griff ausstreckte. Ich warf einen letzten Blick zur Brücke an der Carver Street und zu der jämmerlichen Zuflucht darunter, die ich als Zuhause bezeichnete, stählte mich und stieg in den Van.
Im Inneren befanden sich vier weitere Personen: ein Fahrer und drei nervös und verwahrlost aussehende Kerle, die hinten saßen. Der Fahrer, ein Schwarzer mit dunkler Sonnenbrille in grauem Nadelstreifenanzug, war vermutlich ein Mitarbeiter von Nathan Marshall, was bedeutete, dass wir uns zu viert unters Messer legen würden. Ein Blick auf die Männer im Fond glich einem Blick in den Spiegel: Alle waren weiß, Anfang bis Mitte dreißig und trugen saubere, aber offensichtlich gebrauchte Klamotten. Neben jedem stand ein etwas ramponierter Koffer oder Rucksack. Natürlich sahen wir alle unterschiedlich aus – zwei hatten Bärte – trotzdem verkörperten wir im Wesentliche dasselbe: Penner. Ich erkannte auf Anhieb, dass die anderen ebenfalls obdachlos waren oder kurz davor standen, es zu werden. Was durchaus Sinn ergab. Man musste schon gehöriges Pech gehabt haben, um auf ein solches Angebot einzugehen.
»Mach schon, Kumpel«, forderte mich der
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