An Alle! Gesucht wird Mörder... Kommissar Morry
fassen und krallten sich darin fest. Rick Amston fluchte gräßlich, wollte sich auf den Doktor stürzen. Doch wie eine Klette hing Pat Folker an seiner Kleidung und hinderte ihn für Sekundenbruchteile an seiner Bewegungsfreiheit. Hierdurch erhielt Dr. Jules Steenlund die Gelegenheit, den dritten des Trios anzurennen. Schon glaubte er durchbrechen zu können, aber es gelang noch nicht. Rasch rammte er den dritten Gauner von der Seite, der völlig schockiert wie ein gefällter Baum langsam in die Knie ging. — Doch Dr. Jules Steenlund wußte nicht um die Qualitäten des bulligen Mannes. Noch während dieser zusammensackte und es den Anschein hatte, er würde lang hinschlagen, griffen seine behaarten Arme zu und bekamen Dr. Jules Steenlunds Beine zu fassen. Ein kurzer, kräftiger Ruck — und die hagere Gestalt des Doktors wirbelte durch den Raum. Schwer schlug er gegen die eiserne Tür des Gefängnisses und rutschte von dort zum feuchten Boden des Kellerloches ab. Dr. Jules Steenlund glaubte die Rippen knacken zu hören. Ein wahnsinniger Schmerz durchfuhr ihn und schien ihm die Sinne zu rauben. Dennoch riß er mit dem Mut der Verzweiflung seinen Fuß aus den Stahlklammern des Verbrechers.
„Fort, fort von hier!“ hämmerte sein jagender Herzschlag.
Aber zu spät! — Für Dr. Jules Steenlund gab es kein Entkommen. Wie ein großes schwarzes Tuch sah er etwas vor seinen Augen auftauchen. „Aus!“
Ein Schlag traf seinen Kopf, ließ ihn nach hinten schnellen und gegen die Mauer fliegen. Dr. Jules Steenlund hatte nicht gesehen, ob es die Faust oder der beschuhte Fuß des Gangsters war, der ihn ins Traumland schickte. Es blieb sich auch gleich!
Schlagartig war die trübe Raumbeleuchtung vor seinen Augen erloschen, und er war den gnadenlosen Killern auf Tod und Verderben ausgeliefert.
Dr. Jules Steenlund spürte nicht mehr die Schmerzen, die die Schläge an seinem Kopf und Körper verursachten.
„Genug, Charles! Schafft ihn jetzt weg!“ brüllte Pat Folker vor Zorn am ganzen Leibe bebend seine Leibwächter an und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
„Wohin, Pat?“ murmelte Rick Amston.
„Werft ihn hinaus! — Die Schnüffler sollen sich den Kopf darüber zerbrechen, wie ein Dartmoorsträfling plötzlich ins Freie kommt.“
„Wo sollen wir ihn absetzen?“
„Ist doch egal! Nur gebt acht, daß euch keiner beobachtet.“
Es war ein satanischer Befehl, den Pat Folker erteilt hatte. Schweigsam lud sich der Knecht Rick Amston den regungslosen Körper des Doktors auf die Schulter und stieg die Stiegen zur Haifisch-Bay empor. Schon fünf Minuten später öffnete sich die Seiteneinfahrt der schmutzigen Kaschemme von Stepney, und bald war der Wagen mit drei noch lebenden Menschen als Ladung aus der Westport Street verschwunden.
Vorbei an den Werftanlagen von Shadwell steuerte Rick Amston den Wagen durch den Rotherhithe-Tunnel zum südlichen Themseufer. Still und geheimnisvoll lag die schummrige Hafengegend da. Noch eine gute Strecke ging es immer weiter nach Osten. Als die Pier von Old Stairs auftauchte, rollte das Fahrzeug langsam auf dem Landungssteg aus. Keine Menschenseele kreuzte ihren Weg. Die hintere Tür des Wagens öffnete sich, und Dr. Steenlund wurde von rauen Händen ergriffen...
9
Der erste, der die saubere Gesellschaft im Alhambra-Club an diesem Morgen verlassen hatte, war Danny Horney. Er war plötzlich aus seinem Dämmerzustand, in den auch er durch den starken Alkoholgenuß gefallen war, aufgeschreckt. Sofort überfiel ihn eine starke Unruhe, die er zunächst nicht zu deuten wußte. Als er aber seine herumliegenden Komplicen mit einem schrägen Blick betrachtet hatte, wußte er, daß ihnen allen die Gefahr des Verrats drohte. Sie drohte ihnen von BeaÜrice Shannon, der Frau, die er gestern Abend in der Mill-Street abgesetzt und von dem Zeitpunkt an allein gelassen hatte. Was hatte sie in der Zwischenzeit angestellt? — Der Gedanke, daß sie vielleicht nicht geschwiegen hatte, ließ ihn fluchend hochkommen. Dreiviertel Sechs zeigte der Chronometer auf Pat Folkers Schreibtisch, und Danny Horney verwünschte seinen dummen Leichtsinn, auch auf Pat Folker gehört und die verwirrte Beatrice Shannon sich selbst überlassen zu haben.
Damned! War ihre Widerstandskraft schon dermaßen zermürbt daß sie sich nicht mehr gegen ihr Schicksal aufzulehnen wagte? — Er mußte sich Gewißheit verschaffen. Mochten seine betrunkenen Freunde ruhig Pat Folkers Methode vertrauen. Er
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