Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An den Rändern der Zeit (German Edition)

An den Rändern der Zeit (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
Vom Netzwerk:
beantwortete. Sie sprach kurz mit einem
kleinen Jungen, dem sie einen Kupferchip in die Hand drückte.
     
    „Was macht sie da?“, zischte der Amtmann.
    Mufty begann zu weinen. Er heulte hemmungslos in das
Handy hinein, und als er sich wieder in den Griff bekam, schniefte er nur:
„Find es doch selber raus, verfluchter Bulle.“
    Verhackt. Er kippt um … Man hatte den Amtmann
vor der Unzuverlässigkeit der T-Zonenbewohner gewarnt. ‚Benutzen sie
altmodische Schimpfworte wie BULLE, so ist höchste Wachsamkeit geboten, hieß es
in der Anweisung B Schrägstrich Alpha der Amtsverordnung für Beamte im
T-Außendienst.
    Er schluckte. Was sollte er tun?
     
    Eine alte Frau humpelte heran, gesellte sich zu der
Zielperson und zu dem kleinen Jungen.
     
    B.C. gab auch der alten Meleda einen Chip. Aber
plötzlich taumelte B.C. Die Alte ließ ihren Krückstock fahren, um besorgt nach
dem Arm der hochgewachsenen, sonnenbebrillten Frau zu greifen, verfehlte ihn
aber.
    Zhuuuuuuuuuusch. Das war wieder ein temporaler
Partikel, der B.C. aus ihrer eigenen Raumzeit herausriss und sie ins
Nicht-Mehr, in ihre jüngste Vergangenheit, hineinsaugte.
    Sie kämpfte um einen Moment der Klarheit, doch
umsonst.
     
    „Macht sie fertig!“, kreischte der Vorgesetzte, mit
ganz hoher Stimme wie eine hysterische Frau. DAS hörten sie wieder alle, und
natürlich folgten sie dieser Aufforderung nur allzu gern. B.C. floh wie ein
schwarzer Hase zur Hintertür hinaus, und da sie schnell war, entkam sie fast
allen. Nur der offenbar rachsüchtige Tomy samt zwei zähen Typen von der Inneren
Sicherheit stellten B.C. schließlich in einer Sackgasse der Lagerhallengegend,
und intensiver körperlicher Kontakt war wieder einmal unvermeidlich.
    Der einzige Hieb, von dem sie wirklich getroffen
wurde, war ein Gummiknüppelschlag von Tomy, heimtückisch ausgeführt, als sie
gerade mit seinen beiden Kumpeln im Handgemenge war. Genau aufs Schlüsselbein.
Bis zum nächsten Tag würde es sich grün und blau verfärben – B.C. rächte sich
unüberlegt und zog sich so auch noch aufgeplatzte Knöchel zu. Sie war aber
wieder einmal froh, alles an Kampfkunst gelernt zu haben, was Nika gewusst
hatte. Die zähe alte Putzfrau war die einzige, die sie ab und zu vermisste,
wenn sie an jenen Ort dachte, an dem sie „aufgewachsen“ war.
     
    „Einen Moment lang warst du futsch“, sagte Meleda
scheu. B.C. hatte gedacht, Minuten. Sie rang darum, den Schmerz abzuschütteln,
den sie durch das Zeitphänomen – mehr als eine simple Erinnerung – noch einmal
hatte durchleben müssen. Vergebens, sie hatte ihn bis zum Ende auszuhalten. Bis
zu seinem schwachen Nachklang.
    Sie strich Meleda über den strohigen grauen Kopf.
    „Wird Sorinam denn eine Kammer für dich haben, es wird
bald regnen, spür’s in meinen Knochen.“
    Jonny, der Junge, war fortgeflitzt und kam nun wieder
– für einen jungen Treibgutzonenbewohner war er wirklich helle und brauchbar.
„No rain for Meleda!“, rief er nun. „Ma Sorinam alles geregelt. It’s sure.“
    „Mufty ist traurig“, sagte Meleda nun, und ihr spitzes
Kinn, das in ihrer Jugend bestimmt keck und ansehnlich gewirkt hatte, stieß in
den Hauseingang gegenüber. Etwas versetzt davon hockte Mufty in seiner
„Badewanne“. Seine Krankheit ließ ihn wie einen Gnom aussehen. B.C. schaute
hinüber und dachte, dass der pseudolinke Besitzer des Hauses – er hieß Kralic
und baute blaulila Neo-Cannabis an – ein Arschloch war, weil er es keinem
Obdachlosen gestattete, Schutz zu suchen in seinem Hauseingang.
     
    *
     
    Zum ersten Mal erblickte der Amtmann das scharf
umrissene Gesicht der Zielperson, dessen Augenpartie durch die Sonnenbrille
ausgespart wurde. Er sah die gekrümmte Nase. Ihre Lippen bewegten sich kaum,
wenn sie sprach.
    Urplötzlich packte ihn kalte Angst, was er sogleich zu
verdrängen suchte.
    Meine Beförderung …
    „Wirkt irgendwie etwas kaputt“, murmelte er ins Handy.
    „Sie kommt gleich zu mir rüber“, sagte Mufty entsetzt,
„haun Se ab ins Innere.“
    … verdammter Bulle, setzte der alte Penner
sicher in Gedanken hinzu. Der Amtmann zog sich ein Stück weit in den
Cannabis-Hof zurück, damit die Zielperson nicht misstrauisch wurde. Informationen
sammeln, dachte er. Obgleich es im Grunde gegen die Abmachung verstieß –
denn Mufty hatte sein Soll erfüllt – quälte er ihn mit weiteren Fragen.
    „Das ist sie also, eure GROSSE HELDIN. Warum holt sie
euch nicht hier raus, wenn sie euch so sehr

Weitere Kostenlose Bücher