An den Rändern der Zeit (German Edition)
Sorgen
machen müssen. Züge sind sehr sicher.“
„Du musst dich irren!“, rief Lara. „Ein Dings auf
Schienen? Das hier ist eher ein Schiff, ich spür auch deutlich den frischen
Seewind, und ich bin jetzt schon seekrank!“
„Vielleicht sind die Schienen schadhaft. Wenn der Zug
entgleist wäre, müsste er jetzt schon zum Stillstand gekommen sein. Also fährt
er noch.“
„Sehr beruhigend!“, schnaubte Lara und versuchte sich
hochzurappeln, was wegen des irren Gerumpels und der extrem starken Vibration,
die ihre Zähne klappern ließ, kläglich misslang.
„Wenn er allerdings noch stärker schlingert …“
„Sei endlich still!“
*
Varian beobachtete das Alien, das sich am Boden
krümmte und offenbar große Qualen litt.
Wenn sie jetzt abkratzt, kann ich ihre Erfindung
übernehmen. Er machte trotzdem einen halbherzigen Versuch, ihr zu helfen,
zumal es ihm gelungen war, sich mit einer Hand an einem klebrigen Aschenbecher
festzuhalten. Er hoffte jedenfalls, dass es sich um einen Aschenbecher
handelte. Das metallisch wirkende Ding war mit einem Eisgespinst überzogen.
„Los doch, Alien!“, brüllte er gegen das Tosen des
Sturms, die behandschuhte Linke ausgestreckt. „Nimm meine Hand!“
B.C. hörte ihn, tat aber nichts dergleichen.
Das ist der Nachteil, wenn man mit seiner
Verbindung so sehr erfunden … Nein. Wenn man mit seiner Erfindung so sehr
verbunden ist wie ich es bin. Ihre Gedanken wurden zerstückelt vom Schmerz,
die Zuckungen des Zuges rasten durch sie hindurch … der verdammte Rotzjunge
hatte recht – noch jemand ist an Bord – vielleicht sogar mehr als einer! Das
würde sie nicht mehr lange ertragen können.
Es gab nur zwei Möglichkeiten; eine davon würde
Casimiria nicht gefallen.
… den Rotzjungen töten … nein, das geht nicht,
Cathy liebt ihn …
*
Lara spürte eine schmerzliche Leere in sich, als wären
ganze Stücke ihrer Persönlichkeit gelöscht. Die blaue Eminenz hatte also recht
behalten. Bloß ist mir dieser komische „Meisterstein“ keine große Hilfe bis
jetzt! Sie versuchte, mit den Füßen wieder Kontakt zum Boden zu kriegen –
und strampelte nur in der leeren Luft herum. Die Schwerkraft war plötzlich
aufgehoben.
*
Nie sollte Varian erfahren, in welcher Gefahr er
schwebte. Immer noch streckte er seine Hand aus, während seine Beine waagerecht
im Raum hingen und er sich leicht wie eine Feder fühlte – beinahe erreichte er
das Alien.
Er konnte sehen, wie B.C.s blutleere Lippen ein Wort
formten. Es war der Schimpfname, mit dem sie ihn am häufigsten belegte. Varian lachte,
und da entschied sich B.C. für die andere Möglichkeit.
Und sprang ab.
Augenblicklich beruhigte sich der Zug. Varian
platschte zu Boden, prellte sich die Knie dabei und hörte ein Stück weit hinter
sich – vielleicht zwei Waggons entfernt – ebenfalls einen dumpfen Knall. Wie
ein Echo. Verfluchte Hacke, er klebte immer noch mit seiner anderen Hand an
diesem Aschenbecherding fest! Und die klebrige Substanz hatte sich durch seine
Handschuhe durchgearbeitet und umschlang wie mit Spinnenfäden seine Finger. Panisch
zerrte er mit seiner anderen Hand an dem Ding herum, ohne nachzudenken – mit
dem einzigen Ergebnis, dass nun seine beiden Hände dran festgenietet waren.
*
„Es sind wieder normale Umweltbedingungen eingekehrt“,
verkündete THE MASTER.
„Ach ja?“, knurrte Lara und rappelte sich hoch. „Was
du nicht sagst.“
„Aber eins steht fest: Dies ist kein gewöhnlicher
Zug.“
„Tatsächlich? Ich fände es gut, wenn du nicht immer
bloß solche – Binsenweisheiten von dir geben würdest!“, rief Lara aus. „Du
sollst mir geben, was mir fehlt, verflixt nochmal.“
„Gut Ding will Weile haben“, entgegnete THE MASTER
sanftmütig. „Ich muss mich doch schließlich auch erst an meine Aufgabe
gewöhnen.“
„Dann gewöhn dich ein bisschen schneller daran!“
„Du bist nur deshalb so grob, weil du dich unwirklich
und unsicher fühlst. Du hast den Bewusstseinssprung noch nicht verkraftet. Hab
Geduld.“
Lara knurrte nur, aber es stimmte.
*
Diesem sich nähernden Dialog der anderen Passagiere
lauschte Varian mit sehr großem Unbehagen. Die hören sich aber echt seltsam
an. Ich schreie, wenn das auch Aliens sind.
Und er zerrte noch heftiger an seinen Händen,
versuchte vergeblich, sich zu befreien. Die klebrige Substanz hatte schon so
weit Besitz ergriffen von seiner Haut, dass seine Bemühungen richtig weh taten.
Der
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