An den Rändern der Zeit (German Edition)
willst du von mir, schrumpeliges Amtsarschloch?“
Irgendwie fand er seine Stimme wieder und sagte gepresst: „Von Amts wegen soll ich … ich soll nur … Informationen colleckten.“
Und es ist geheim. Eine Secret Keys Sache. Darüber hinaus hatte dieser Typ keine Ahnung von nix, also wer steckte dahinter? B.C. stellte fest, dass sie das gar nicht wissen wollte. Die Furcht spülte wie eine grüne Woge von Übelkeit durch sie hindurch (dagegen waren ihre zwei Schlägereien von vorhin ja spaßig gewesen!), und da sich das dem Amtmann durch eine plötzliche Schwäche ihrer Hand mitteilte, unternahm er einen Versuch, sich zu wehren. Er war nicht gerade ein Hemd, sondern gut in Form, und doch wurde er, als B.C. ihn wieder fester packte, sofort zu Pudding.
Sie wandte sich an Mufty. „Scheiße, mein Alter, das hätte ich nicht von dir gedacht.“
Er weinte wieder.
„Scheiße und verdammt, ich musste die Blockade aufheben. Weißt du, wie ich jetzt fühle?“
Mufty sah aus trüben, whiskyfarbenen Augen, wie sich ihr Kiefer verkrampfte, damit ihre Zähne nicht klapperten. Er konnte es sich in etwa vorstellen. Sie fühlte und empfand jetzt körperlich alles, was sämtliche Treibgutzonenbewohner fühlten und empfanden. Sämtliche. Denn ihre Empathie war unteilbar.
Die Sache ähnelte stark einem Alptraum, und ganz besonders alptraumhaft war die Tatsache, dass dies sich in der Treibgutzone abspielte, wo sie sich immer so sicher geglaubt hatte. Für einen Moment vermutete B.C. sogar, sie sei auf einem Time-Trip und das Ganze hier nicht real. NEIN. Ihr letzter echter Time Trip war ewig her. Dies geschah hier und jetzt. Wirklich.
Werfen wir also auch die Knochen der Freundschaft ins Feuer, dachte sie, für ein paar Chips verraten sie dich doch.
Sie lächelte kalt. Wie durch einen Nebel hindurch fühlte sie auch die Todesangst des Amtmannes.
Alles an der Zielperson wirkt verschoben und nicht normal und ich weiß nicht was und ich will nicht sterben …!
„Irgendwann musst du das schon“, antwortete B.C. auf diese Gedanken des Amtmannes, „wie wir alle. Nur nicht jetzt, sei unbesorgt.“
Was sie dann aber wirklich mit ihm machte, entzog sich ihrer bewussten Wahrnehmung. Irgendwie schaltete sie ihn aus, aber wie? Das Donnern und Rasen all der Trümmergefühle um sie herum – in ihr drin – wurde unerträglich, war eine dunkelgraue Riesenfaust, in der sie zerquetscht wurde und die sie dann in ein schwarzes Loch hineinstieß und im Innern einer Singularität herrschten andere Gesetze wie jeder wusste und … sie hatte die vage Idee, dass Kralic, von dem Tumult in seinem Hofeingang endlich aufgeschreckt und angelockt, sich des Amtmannes annahm … als das schwärzeste Loch sie wieder ausspie, war niemand mehr da.
Kein Mufty, kein Kralic, kein Amtmann.
Sie vertrieb das idiotische schwarzlöchrige Lächeln aus ihrem Gesicht.
Was habe ich getan?
Sehr schroff wandte sie sich ab und ging in Richtung 3 Y 7, ging wie durch Feindesland.
*
Ein vielfach unterteiltes Zelt auf Rädern. Das war das treibgutzonenweit berühmte Moonlight and Darkness. Fa Pa kannte B.C. lange genug, und so verzichtete auf die übliche Softword-Begrüßung, sondern verneigte sich nur stumm und führte sie in eins seiner hinteren Zelte, mit Einzelkojen für besonders gute Kunden.
Fa Pas blaugraue Mandelaugen waren gleichmütig wie immer.
B.C. legte sich leise stöhnend auf das Feldbett. Fa Pa höchstpersönlich band die Lederriemen um ihre Handgelenke – einen um das linke, einen um das rechte, und er zog sie recht fest an, damit das Blut sich staute. Ebenso verfuhr er mit dem Riemen, der um ihren Kopf gespannt wurde … die Sonnenbrille nahm sie nicht ab.
Sie wird ihre Gründe dafür haben, dachte Fa Pa, und er ahnte auch, was für Gründe das waren. Wie viele Treibgutzonenbewohner hatte auch er eine Ahnung davon, wie fremdartig B.C. war, und sein Gehirn war nicht halbzerstört durch das Fusel-und-Genocain-Gemisch, das die meisten Zonies sich reinzogen.
Es hieß, dass es einige ihrer Art gab, aber er glaubte, dass nur ihr es gelungen war, so lange unerkannt zu bleiben. Bestimmt waren die anderen inzwischen eingefangen worden. Sicher nur eine Frage der Zeit, bis man auch B.C. auf die Spur kam …
B.C. ächzte: „… nur eine Frage der Zeit, meinst du, Fa Pa, nein, bitte, sage das nicht. Wenn die Zeit etwas fragt, dann antworte ihr nicht!“ Sie brach in ein irres Lachen aus. Die empathische Energie tobte sich noch immer
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