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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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Haarschopf und versank in nachdenkliches Brüten.
    In diesem Augenblick hörte Oi ein schmatzendes Plätschern, das sich ihnen zu nähern schien – war schwer zu sagen, da es von den Tunnelwänden widerhallte – alarmiert schaute er in die Richtung, in der er den Ursprung des Geräusches vermutete. Weg war es wieder.
    Bonea dachte nun laut. „Was mich am meisten schockt ist, dass ihr keine Kenntnis habt über uns, nur ein Rumoren – äh, Gerüchte. Ihr lebt im – im Fool’s Garden, hätte man im Slang gesagt. Da draußen, direkt vor den Mauern, lagern die hungrigen Horden, und ncht einmal die Border-Leute erzählen den anderen davon? Die Wächter? Sie schweigen? Aber JEMAND weiß. Die Regierung. Und du, Two Vocals, erzählst mir ihr habt keine Ahnung, wer euch regiert. Alle hier arbeiten, essen, haben Sex und Spaß, und JEMAND hält das Ganze zusammen wie eine Art Gott. JEMAND – eure verdammte Hidden Regierung – wirft uns im Outland ein paar Brocken an Nahrung zu, damit wir stillhalten … nicht ganz crazy werden – wahnsinnig vor Hunger. Damit wir uns schlagen um die Nahrung, beschäftigt sind. Manche sind irre, trotzdem. Und: Schon bald wird das nicht mehr worken. Ich meine funktionieren. Denn wir sind – VIELE.“
    „Wie viele?“, fragte Oi eingeschüchtert.
    Sie musterte ihn und Faruk ernst. Es war, als würde sie sich dagegen sträuben, eine Zahl zu nennen. „Sehr viele“, antwortete sie nur, und dann sprang sie unruhig auf. „Ich muss mit der Regierung sprechen! Ich wurde abgesandt, und nicht nur meine Horde setzt Hoffnung in mich.“
    Für eine Weile verharrten Ois Gedanken noch bestürzt bei dem Bild, das sich ihm unwillkürlich aufdrängte: das einer riesenhaften menschlichen Flutwelle, die gegen die Gigantomauer der Augenwelt anbrandete
    Auch Faruk war blass geworden, soweit man das unter der Dreckschicht in seinem Gesicht erkennen konnte. Er krächzte etwas und schrieb dann wieder auf seine Papptafel.
    „Sie werden euch töten“, las Bonea. Unwillkürlich berührte sie die Wunde an ihrem Arm und versuchte dann zu lächeln. „Nun, Faruk, genau das will ich ja verhindern.“
    Er starrte sie an, stieß seine kleine Faust energisch nach oben, und dann nickte er mit grimmiger Miene.
    „Sag mir, Bonea“, begann Oi, „wie ist es nur möglich, dass du so – so klug bist? Du hast immer nur gekämpft, um zu überleben – und doch kannst du sogar lesen! Und du lernst so schnell. Wie …?“ Er brach verlegen ab.
    Ihr Lächeln erlosch. „Bei uns gibt es viele wie dich, Two Vocals“, sagte sie nach einer Pause. „Du warst krank, darum bist du ein Langsamdenkender geworden. Bei uns im Outland kommt es vom Hunger. Was wir rauchen, um das Hungergefühl zu dämpfen, hilft nicht dem Gehirn. Aber wir haben noch etwas anderes. Einige wenige von uns verfügen über das Schwarze Wasser.“
    Aus ihrer Lumpenjacke zog sie eine winzige Glasampulle, in der eine geheimnisvolle, wolkig-dunkle Flüssigkeit wogte.
    „Habe jetzt nur noch ein paar Tropfen davon. Dachte ja auch, hier gäbe es für mich Nahrung genug, um das Gehirn anzukurbeln. Das Schwarze Wasser ist sehr selten und darum kostbar. Wir, die wir es kennen, mussten uns entscheiden: Geben wir allen in unserer Horde davon, so reichte es nicht, und sie alle werden höchstens ein bisschen klüger. Aber wir beschlossen, dass einige von uns sehr schlau werden mussten. Und so …“ Sie verstummte und schlug die Augen nieder.
    Allmählich dämmerte es Oi, dass Bonea nicht nur ein kleines, wenn auch besonders zähes Flüchtlingsmädchen war, sondern eine mutige Hordenführerin, die allein einen höchst schwierigen Auftrag übernommen hatte.
    Er betrachtete sie mit noch größerer Hochachtung … gleichzeitig hörte er wieder die Geräusche: ein Schlürfen und Gurgeln. Näher jetzt.
    Faruk bekam davon natürlich nichts mit, und Bonea hatte wieder angefangen zu reden: „… ja, und ab und zu finden wir im Schlamm ein paar vergammelte Schriften. Halb verschimmelte Bücher. Müll aus der Augenwelt. Das Lesen habe ich mir zum Teil selber beigebracht, zum Teil hatte ich Hilfe. Die wenigen Alten bei uns, also die, die es schaffen, alt zu werden, genießen Respekt. Nicht bei allen Horden gleichermaßen, aber ich zumindest habe darauf geachtet, dass immer zwei Alte als Nebenhordlinge bei uns sind. Sie wissen viele Dinge.“
    „BONEA!“, schrie Oi plötzlich. Die Kinder fuhren herum und starrten in die Richtung, in die sein Arm wies. Durch das Abwasser kam

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