Malchatun
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Viele Jahrhunderte hatte Kleinasien unter der Hand Ostroms geblüht, unter der Herrschaft griechisch-byzantinischer Kaiser in der Welthauptstadt Konstantinopel.
Dieses Kleinasien, das weite und hohe Land zwischen den Meeren dem Schwarzen oder dem Pontus im Norden, dem Mittelländischen im Süden und der Propontis mit dem Bosporus im Westen dieses Anatolien hatte stets einer festen Hand bedurft. Immer hatte die Gefahr bestanden, daß Völkermassen über den Euphrat hinweg bis zum bithynischen Westen Vordringen. Schicksalsland Bithynien im weiten Anatolien, nun armes Grenzland mit dem Halbrund deiner Gebirge, deinem Olymp, dem Tumanidsch, dem Ermeni! Auch beim letzten Überfall hatte die gestaute Völkerflut nur noch den zerstäubenden Gischt ihrer Brandung an die Berghänge hinaufschleudern können. Eingesickert war er jetzt, eingesogen und verwandelt.
Der mongolische Aufbruch war der Beginn einer weltweiten Unrast gewesen. Das Reich aller Menschen hatte erstehen wollen, doch dieses Wollen hatte zuletzt nichts als Zerstörung hervorgebracht.
Zuerst die Türken. Hirten waren sie und Stammesverwandte der Mongolen. Aus den Ebenen zwischen dem Kaspischen Meer und um den Aralsee herum hatten sie sich westwärts gewandt, hatten die bithynischen Berge erreicht und mit der Hauptstadt Ikonium oder Konia das Kaiserreich der seldschukischen Türken über nahezu ganz Anatolien errichtet. Sultane nannten sich die Prinzen des Hauses Seldschuks, Padischah war der Titel des regierenden Sultans und Kaisers ihre Religion war
die des Islams. - Nur der kleine Teil jenseits der Berge war dem christlichen Byzanz vom ganzen Anatolien übriggeblieben, nicht viel mehr als ein Küstenstrich, in seinen Grenzen von Konstantinopel aus zu übersehen.
Zwei Kaiser statt einem hatte es nun zwischen den Meeren gegeben: den christlich-byzantinischen Basileus, den Großkönig und göttlichsten Kaiser in Konstantinopel, einen Monarchen mit übermenschlichem Anspruch - und in Kleinasien den mohammedanischen Padischah in Ikonium, etwas neuer in seiner Würde, dafür aber tolerant. Viele griechische Archonten auf seldschukischem Gebiet hatten bei rechtzeitiger Unterwerfung ihre Städte und Herrschaften behalten. Alle aber - griechische Christen oder türkische Mohammedaner - huldigten dem Padischah, und der Unterschied in der Religion bedeutete nur noch wenig. Eigentlich neu war das Erscheinen einiger türkischer Horden, die dem Hirtenleben nicht hatten entsagen mögen. Ihnen waren die grasreichen Hänge des Tumanidsch und Olymp als Weidegründe überlassen.
An diesen Zuständen änderte die zweite, die mongolische Eroberungswelle nichts.
Die Mongolen, ebenso gierig nach dem goldenen Westen wie vor ihnen die Türken, hatten dann Persien erobert und in Täbris unter einem Ilkhan - dem dritten und weitaus mächtigsten Kaiser auf diesem Schauplatz - ein großes Reich gegründet. Anatolien hatten siedabei nicht vergessen. Auch die Mongolen waren vor den bithynischen Bergen erschienen.
Doch hatten sie den Seldschukenstaat unter ihrer Oberhoheit bestehen lassen, und so lasteten nun zwei Kaiser über dem Land: der Schattenkaiser in Ikonium und der Ilkhan in Täbris, der nichts dagegen hatte, wenn die seldschukischen Lehensträger bis hinunter zu den Herren einer einzigen Stadt sich um die letzten Fetzen einer vergangenen Herrlichkeit balgten.
Arm wie sein Padischah war das einst so blühende Anatolien. Was die Seldschuken verschont, hatten die Mongolen vernichtet. Zumal Bithynien, die frühere Kornkammer von Byzanz, war in diesem dreizehnten Jahrhundert zur skythischen Steppe und aus einem Lande griechischer Kultur zu einem Mehrsprachenland geworden. Fast alles hatte zwei Namen und zuweilen drei: einen griechischen, einen türkischen und, wenn es sich um die verehrten Lehrer des Islams handelte, auch einen arabischen.
Was den weitgereisten islamischen Gelehrten Edebali aus Adana veranlaßt haben mochte, sich im Dorfe Itburni bei Eskischehr niederzulassen, schien für immer ein Geheimnis zwischen ihm und dem Stadtherrn Aristides Kontophres bleiben zu wollen.
Das Verhältnis zwischen den beiden Männern war eher ein freundschaftliches als eines zwischen dem Stadtherrn und einem Schutzgchossen. Der Umstand, daß Edebali rechtgläubiger Mohammedaner, die Familie Kontophres griechisch und christlich war, hatte daran nichts ändern können. Es war sogar mehr Edebali, der als Priester der Sultansreligion Toleranz übte. Der berühmte Meister der
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