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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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trug er nicht mehr so lang, sondern in einem modischen Zöpfchen, seine Kleidung bestand aus einem leichten schwarzen Thermoanzug (schützte zuverlässig vor der klammen Feuchtigkeit hier unten), und seinem Körper sah man an, dass er sich Muskeln antrainiert hatte. Am augenfälligsten aber war die Veränderung seines hübschen Gesichts: Es war härter, kantiger geworden, hatte die Weichheit der Jugend vollkommen verloren. Die grünen Augen blickten kalt.
    Er ließ sie gleichgültig über die vielen Gäste des unterirdischen Etablissements schweifen. Lauter Gauner und Halsabschneider, die sich gegenseitig auf die Füße traten, so voll war es. Die Billardspieler dicht hinter Varians Platz gerieten immer wieder in Kollisions-Konflikte mit umstehenden Drogendealern und Messerstechern – in regelmäßigen Abständen schwirrten Flüche und grobe Schimpfwörter durch den langgestreckten Raum mit der niedrigen, triefenden Decke. – Das grüne Billardtuch des Tisches glänzte vor Nässe, und die Kugeln gaben beim Rollen quietschende Geräusche von sich. Ein ordentliches Spielen war somit gar nicht mehr möglich, dachte Varian beiläufig – und dennoch spielten die Männer verbissen weiter.
    Varian wandte den Blick von den Spielern ab und schwang sich auf seinem Barhocker herum. Hinz, der Chefbarkeeper, stand hinter seinem Stahlblechtresen und schnitt eine schimmelige Zitrone in hauchdünne Scheiben. Er tat das mit unglaublicher Geschwindigkeit, ohne hinzusehen. Als er bemerkte, dass Varian seinen Bewegungen wie hypnotisiert folgte, nuschelte er tonlos: „Wie lauf’n die Geschäfte?“
    Selbst in der Unterwelt, die jetzt im wahrsten Sinne des Wortes die Unterwelt war, sprach man kaum noch Slang. Die – runderneuerte Augenwelt duldete ihre kriminellen Elemente nur noch in triefnassen Kellerbars. Oder noch weiter unten, wo fette pigmentlose, rotäugige Alligatoren sich durch die Kanalisation schlängelten.
    „Gut“, antwortete Varian, was auch stimmte, aber es war ihm ziemlich egal. Er hatte einen großen Vorteil gehabt, als er seine Laufbahn einschlug: Er sprach so, wie es angemessen war. Casimiria hatte ihm ein richtiges, gepflegtes Deutsch beigebracht, und so musste er nicht mühsam umlernen wie so viele andere, die das nur taten, weil sie sich vor einer Rückkehr der Seuche fürchteten. Die neue Regierung hatte den Menschen das eingetrichtert. „Lernt richtig sprechen, lernt hinhören, oder die Seuche des Inneren Lärms kommt wieder über euch!“
    Varian lächelte halb zynisch, halb melancholisch. – Casimiria hätte jetzt vermutlich auch Karriere machen können … als Sprach- und Sprechlehrerin. Der Bedarf an solchen Kräften war so groß, dass ihr Aussehen keine Rolle spielte. Casimiria … und wieder einmal stand ihm das Gesicht seiner toten Freundin ganz deutlich vor Augen; er sah sie lächeln. Das Bild ließ sich nicht mehr abschütteln, ebenso wenig wie der Schmerz.
    Es erschien Varian seltsam, dass Casimiria zu ihren Lebzeiten längst nicht so oft in seinen Gedanken aufgetaucht war wie jetzt, aber das machte es nur doppelt so bitter. Er war förmlich besessen von ihr. Sie erschien in seinen Träumen, und auch wenn er wach war, meinte er manchmal – in seiner geräumigen oberirdischen Wohnung – das Geräusch ihres Rollstuhls zu hören. Es war zum Verrücktwerden, und es hatte ihn auch fast verrückt gemacht, lange Zeit – bis er endlich glaubte, einen Ausweg gefunden zu haben.
    Ich werde sie immer lieben, dachte Varian jetzt und starrte in sein fast leeres Glas. Wie flüssiger trüber Bernstein schwamm der Rest des hochprozentigen Drinks darin. – Oh, er hatte natürlich Frauen gehabt seitdem, jede Menge, wie auch schon während seiner zweijährigen Beziehung zu Casimiria, doch sobald sie seinem Blick entschwanden, vergaß er sie auch schon wieder. Vollständig. Keine Frau interessierte ihn, und wenn eine versuchte, sich an den gutaussehenden, wohlhabenden jungen Geschäftsmann zu klammern, jagte er sie grob davon. – Manchmal allerdings kam ihm Lara in den Sinn, aber an sie dachte er nicht als an eine begehrenswerte Frau. Nicht eigentlich. Nein, an sie dachte er, weil er in seiner Erinnerung immer wieder jene grausige Szene im Keller des Amtes durchlebte. Die amazonenhafte Lara war damals dabei gewesen, und sie hatte offenbar mehr von den Vorgängen verstanden als er. Obwohl ich inzwischen auch einiges kapiert habe, dachte er grimmig. Tatsache war, dass er sogar einen gewissen Groll gegen Lara

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