An einem heißen Nachmittag im August
Mal, wenn er schier am Verzweifeln war und schon in den Zeitungen oder im Internet heimlich nach einer neuen Stelle und einer neuen Wohnung Ausschau hielt, tat Roderik irgendetwas Wunderbares, das in Maurice den Groll hinwegfegte.
Was Maurice nicht ahnte, Roderik war ein Telepath, vor dem er eigentlich nichts verheimlichen konnte. Als der Dämon das letzte Mal von einem Menschen verlassen worden war, hatte er ihn getötet. So waren Dämonen nun einmal, sehr besitzergreifend. Was ihnen gehörte, gaben sie nicht freiwillig wieder her. Roderik liebte Maurice wirklich. Er wollte ihn nicht eines Tages töten müssen. Also zügelte er sein Temperament so gut es ging, las Maurice jeden Wunsch von den Augen ab – oder besser gesagt aus seinem Geist - und hoffte das Beste. Zwei Beinahe-Trennungen hatte er so schon abwenden können.
Noch ein weiteres Problem überschattete ihr gemeinsames Leben. Maurice sehnte sich danach, mehr über seinen unbekannten Großvater zu erfahren, der ein Elf gewesen sein musste. In seiner Familie wurde nicht über den Mann geredet, der seine Großmutter erst geschwängert und dann verlassen hatte. Maurice überlegte lange, ob er es wagen konnte, seine Großmutter nach diesen lange zurückliegenden Ereignissen zu befragen. Er besprach sich deshalb mit Roderik.
"Wahrscheinlich kann sich deine Großmutter gar nicht mehr richtig an ihre Begegnung mit dem Elf erinnern. Elfen lassen es nur selten zu, dass sich ein Mensch an sie erinnert."
"Man kann doch nicht einfach die Erinnerungen einer anderen Person fortwischen."
"Doch, ein kleiner Zauber oder ein telepathischer Block."
"Telepathie?"
"Warum nicht?! Elfen haben ganz unterschiedliche Zauberkräfte. Nicht alle verstehen sich auf das Gedankenlesen, aber einige schon."
"Und Dämonen?"
Roderik warf seinem Geliebten einen seltsamen Blick zu, als wolle er ihn warnen, nicht zu tief zu bohren. Maurice bestand nicht auf einer Antwort.
"Ich möchte wissen, woher ich komme. Kannst du mich nicht zu irgendwelchen Elfen führen, die mir helfen könnten?"
"Ich kenne keine Elfen in New York. Die meisten Elfen halten sich nicht gerne in Großstädten auf."
"Ich bin gerne in New York."
"Du bist ja auch nur zu einem Viertel ein Elf, mein Süßer."
"Und andere Dämonen?"
"Was soll mit den anderen sein?"
"Kennen die vielleicht Elfen hier?"
"Keine Ahnung!"
"Kannst du dich nicht ein wenig umhören, wenn du zu deinem nächsten Treffen gehst?"
"Ich kann nicht einfach andere Dämonen nach Elfen fragen."
"Warum nicht?"
"Weil sie mich dann neugierig fragen würden, wozu ich die Information benötige. Und dann müsste ich vielleicht von dir erzählen."
"Na und?"
"Kein Dämon redet bei den Treffen gerne von seinem Privatleben."
"Soll das heißen, du hast mich gegenüber den anderen noch nie erwähnt?"
"Ich habe schon mit meinem Bruder über dich gesprochen", wich Roderik aus.
"Wir leben jetzt fast sechs Monate miteinander, und du verschweigst meine Existenz vor deinen Freunden?!"
"Glaube mir! Du würdest nicht wollen, dass ich mit den anderen über dich redete."
"Weshalb nicht?"
"Es gibt unter uns Dämonen so etwas wie eine ungeschriebene Regel die besagt: Rührst du meinen Sterblichen nicht an, lass ich deinen zufrieden.
Meistens halten wir uns daran, denn wir alle haben irgendwann einmal eine Liebesbeziehung zu einem Menschen. ... Weißt du, was für einen Dämon noch schöner ist, als das Leid eines Menschen wahrzunehmen? ... Das Unglück eines anderen Dämons zu empfinden. Und was glaubst du wohl, wie man einen Dämon so richtig schön quälen kann?"
"Du nimmst ihm die Person, die er liebt", flüsterte Maurice. "Bin ich in Gefahr?"
"Solange ich mit meiner Beziehung zu dir unter den Dämonen nicht hausieren gehe, dürfte alles in Ordnung sein."
Maurice lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er hatte plötzlich gar keine so große Lust mehr, nach anderen magischen Wesen Ausschau zu halten. Wieder einmal dachte er darüber nach, ob er sich nicht besser von Roderik lösen sollte.
In dieser Nacht liebte der Dämon seinen menschlichen Lebensgefährten mit einer Intensität und Hingabe, die Maurice alles vergessen ließ. Was blieb, war ein unbestimmtes Gefühl der Unsicherheit. Maurice wurde vorsichtiger im Umgang mit Personen, die er nicht kannte, er ging weniger alleine aus. In dunklen Parkhäusern drehte er sich viel häufiger um als früher. Es passierte nie etwas Seltsames oder sogar Gefährliches. So nach und nach geriet sein Gespräch mit Roderik über Dämonen in
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