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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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ein paar Minuten später zur Toilette ging, war er für einen langen, schwindelerregenden Moment überzeugt, dass sie endgültig aufgegeben hatte. Dass sie jeden einzelnen seiner Gedanken erriet. Dass sie in Wahrheit in dem Durchgang neben dem Coffee Shop stand und ihre Schwester anrief, dass sie jetzt, in dieser Sekunde, zu Darlene sagte: Er wird nie fragen. Ich verschwende nur meine Zeit . Mark hatte allen Ernstes Tränen niederkämpfen müssen.
    Aber dann war diese Frau aufgetaucht. Ein Eisfinger hatte ihm in den Nacken getippt. Die Unbekannte hatte ihn angestarrt – in ihn hineingestarrt. Und was sie dort sah, hatte sie flüchten lassen.
    Die Sohlen von Allisons Moonboots quietschten über den Boden; sie nahm ihren Mantel vom Stuhl, dann sah sie sein Gesicht. »Was ist los?«, fragte sie.
    Sein erster Impuls war es zu lügen, zu sagen: nichts. Aber er überwand sich und erzählte ihr von der Frau. »Sie hat mir einen Mordsschrecken eingejagt«, sagte er. »Dieser Gesichtsausdruck …«
    »Jemand, den du kennst?«, fragte Allie. »Jemand …?«
    »Nein«, sagte er.
    Allie stülpte sich eine weiße Strickmütze über ihr schwarzes Haar, zog ihre Fäustlinge an. Sie forschte immer noch in seinen Zügen.
    »Geht schon wieder«, sagte er.
    Hand in Hand gingen sie die drei Blocks bis nach Hause.
    Jemand von früher. Das hatte Allie gemeint. Erst vor ein paar Tagen hatten sie zusammen an der Supermarktkasse angestanden, als ihnen die Mutter von einer von Brendans Babysitterinnen begegnet war. Die Frau hatte ein bisschen gebraucht, um Allison Mark zuzuordnen, zu begreifen, dass sie Lebensmittel für zwei kauften. Sich zu erinnern, dass er und Chloe getrennt waren. Als der Groschen schließlich fiel, hatte sie ihnen beiden einen raschen, tadelnden Blick zugeworfen. Einen Blick, der zu fragen schien, wie ein Mann wie er – ein Mann, der so viel verloren hatte – es wagen konnte, wieder glücklich zu sein.
    Allie hatte es auch bemerkt. Im Auto hatte sie gesagt: dieses ständige Verurteiltwerden! Woher nehmen die Leute das Recht dazu?
    Sie hat uns nicht verurteilt, widersprach Mark, obwohl er es besser wusste. Als die Frau aus dem Supermarkt ihn zum letzten Mal gesehen hatte, hatte er am Grab seines Sohnes geweint. Und jetzt stand er hier, schlank nach zwei Jahren Fitnesstraining, mit einem teuren Sakko, glänzenden Schuhen und Hornbrille, an der Seite einer Frau, die nicht nur jünger war als die arme Chloe, sondern auch sichtbar weniger leidgeprüft.
    Einen Gedanken wie diesen gestattete Mark sich sonst nach Möglichkeit nicht: Allie hatte keine Ahnung , was es hieß, verurteilt zu werden!
    Der Schnee auf den Straßen glitzerte; die aufgehende Sonne fing jede Flocke einzeln ein. Mark legte Allie auf den Stufen zu ihrer Haustür fürsorglich die Fingerspitzen ins Kreuz. Er richtete seine ganze Konzentration auf diese Dinge: Allison berühren, sie anlächeln. Er holte sich zurück, wieder einmal.
    Der Vorfall von eben spielte keine Rolle. Er würde Allison einen Heiratsantrag machen. Sie würde Ja sagen. Allie vertraute ihm hinreichend, um ihn zu lieben, da durfte er ihr nicht mit Halbheiten kommen. Nein, er musste sie so fragen, wie es sich gehörte – mit einem Ring, auf den Knien vor ihr, mit Worten, die schlicht und echt waren. Er würde den Ring gleich heute Nachmittag kaufen, wenn Allie bei der Arbeit war. Sie verdiente das komplette Ritual, die ganz große Geste, nicht irgendein lahmes Gestammel mit Kaffeebecher in der Hand.
    Mark wollte gerade die Tür hinter sich zuziehen, als ihm die Fußspur auffiel, die vom Gehsteig bis zu den Stufen führte. Er und Allie waren nach links gegangen und von links wieder zurückgekommen. Aber noch ein Paar Füße – Allies Größe, vielleicht auch kleiner – kam von rechts. Die Spur ging zur Tür und zurück.
    Er spähte die Straße rauf und runter. Dann erst drückte er die Tür ins Schloss. Ehe er sich zu Allison umwandte, schob er den Riegel vor.

ZWEI
    Mark kaufte den Ring an diesem Tag doch nicht. Schon morgens um neun hatten sich auf seinem Band etliche Nachrichten angesammelt – Hilferufe von Kunden, denen die bevorstehenden Feiertage Panik machten –, und er vertat Stunden mit einer Website für importierten Balsamico-Essig, auf der partout keine Bilder von den Flaschen erscheinen wollten.
    Am Nachmittag meldete sich Allie aus der Arbeit: Zwei ihrer College-Freundinnen seien auf der Durchreise nach New York da – ob er Lust habe, heute Abend mit ihnen wegzugehen?

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