An einem Tag im Januar
kam Lew fast nie zum Essen zu ihnen, und auch ihre gemeinsamen Ausgehpläne blieben in der Regel Theorie. So wie jetzt war Mark mit Lew das letzte Mal zusammengehockt … wann? Vor zwei Monaten? Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Lewis zweimal die Woche bei Mark und Chloe auf der Couch übernachtet, und Brendan war jeden Morgen eifrig die Treppe hinuntergerannt, um nachzuschauen, ob Onkel Lewis da war und dringend geweckt werden musste.
Die Akustik in der Kabine ließ Marks Worte hart und hohl klingen. »Witzig, dass du fragst. Ich wollte ihr eigentlich demnächst einen Antrag machen.«
Lew setzte sich gerade hin. »Im Ernst?«
»Morgen kaufe ich den Ring.«
Lew fackelte nicht lang, er stand auf und zog Mark an seine Brust, schlug ihm auf beide Schultern. Aus der Nähe roch er nach ausgedünstetem Bier. Als er Mark losließ, glänzten seine Augen feucht.
Mark begann Lewis all die Gedanken aufzuzählen, die er sich gemacht hatte. All die guten Gründe, die dafür sprachen, dass er Allison heiratete.
Lew lachte. »Du flüsterst ja!«
»Ich – ich bin nervös, glaube ich.«
»Warum? Hast du Angst, dass sie Nein sagt?«
»Eigentlich nicht.«
»Kalte Füße?«
Mark schüttelte den Kopf.
Lewis lächelte schlau. »Bei Chloe warst du auch nervös.«
»Blödsinn.«
»Gar kein Blödsinn. Die Woche, bevor du sie gefragt hast, konnte man denken, du sitzt deine letzten drei Tage in Vietnam ab.«
Mark wünschte, Lew hätte nicht ausgerechnet jetzt von Chloe angefangen. Er erinnerte sich nur zu gut, wie er Lew vor all den Jahren von seiner Verlobung mit Chloe erzählt hatte. Ich brauche einen Trauzeugen, hatte er gesagt, Worte, die sich aberwitzig für ihn anhörten: aberwitzig, aber zugleich so vertraut und richtig, als hätte ihn erst dieser Satz – Ich habe mich mit Chloe Ross verlobt – aus einer Marionette in einen echten Menschen verwandelt.
»Frag sie einfach«, sagte Lew. Dann betrachtete er Mark für einen langen Moment eindringlich. »Meinen Segen hast du, falls das eine Rolle spielt.«
Auf Marks Gesicht machte sich ein Grinsen breit. Anscheinend spielte es eine enorme Rolle.
Grund zum Feiern, entschied Lew. Er sperrte das Studio ab, und sie gingen die zwei Ecken bis zu seiner Lieblingskneipe. Dort bestellte Lew sich ein Bier und für Mark eine Cola, und als er sein Glas in der Hand hielt, rief er quer durch den Raum, dass sein ältester Kumpel bald unter den Pantoffel kommen würde, und ein Dutzend betrunkene Fremde johlten und prosteten ihnen zu. Mark drehte sich um und winkte, und wie jedes Mal in einer Bar tat es ihm bitter leid, dass er nicht mehr trank, dass er seinem Vater – und Lew – versprochen hatte, nie wieder einen Tropfen anzurühren.
Eine Stunde und mehrere Biere später schloss Lewis ihn noch einmal heftig in die Arme. »Ich freu mich dermaßen für dich, Alter.«
Mark fuhr ihm liebevoll über den kratzigen Schädel. »Und ich freu mich, dass du dich freust.«
Lew sah ihn an, etwas zu lange. »Erzählst du es Chloe?«
Mark zögerte nur eine Sekunde, ehe er erwiderte: »Ich kann es ihr ja wohl schlecht verschweigen, oder?«
In Lews Rührung schlich sich eine tragische Note: »Was sie wohl sagen wird?«
Chloe und Allison waren sich nur zweimal begegnet. Chloe hatte einen Freund, einen festen Freund, aber dennoch vermied sie es Mark gegenüber geflissentlich, Allie zu erwähnen.
»Sie hat gar nichts zu sagen«, erwiderte Mark, plötzlich zornig, als hätte Chloe bereits mit den Einwendungen begonnen, die sie, wie er sehr wohl wusste, niemals machen würde. Lew lächelte ihn schmerzlich an – er kannte Chloe gut genug, um Marks Gedanken lesen zu können –, ehe er einen tiefen Zug von seinem Bier nahm, und einen Augenblick lang hätte sich Mark um ein Haar auch eins bestellt. Wieso eigentlich nicht? Er war nicht mehr der Mark von früher, er war jetzt ein völlig anderer Mensch.
Aber er bestellte sich keins. Wenn er ein anderer geworden war – wenn er jetzt glücklich war –, dann lag das nur an Entscheidungen wie dieser, Hunderten davon, die er eine nach der anderen getroffen hatte. Und an seinem Vater, der ihm das Versprechen abgenommen hatte, nie wieder zu trinken, und an Lew, der ihn nie dazu nötigte – ihre fröhlichen Besäufnisse von früher hin oder her.
Er versank in Schweigen. Er sah das strenge, gütige Gesicht seines Vaters vor sich und machte sich voller Beschämung klar, dass auch er von seinen Plänen erfahren musste. Es erschreckte ihn richtiggehend,
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