Analog 02
abzudecken und Voraussagen mit hundertprozentiger Genauigkeit zu treffen. Theoretisch.
Aber davon waren wir noch weit entfernt. Unsere Fortschritte waren rein statistischer Art. Wir konnten die Multiplikatoren bestimmen und mit größerem Erfolg Voraussagen machen. Die Kontrolle über eine ganz bestimmte Projektion schien jedoch immer noch in weiter Zukunft zu liegen. Es reichte nicht aus zu wissen, wie oft Zeiten von 8 / 10 Sekunden oder 77,6 Tagen in einer Serie zu erzielen waren.
Wie sich herausstellte, wurde unser Durchbruch durch zwei Umstände verhindert, die sich am gleichen Tag zutrugen. Es war eigentlich ein schöner Tag: Ende Mai, gerade warm genug, durch die Laborfenster drang der frühe, ländliche Abend in Form von Vogelgezwitscher und Fliederduft. Unsere Widersacher hatten sich diesen Moment ausgesucht, um erneut anzugreifen. Nur diesmal hatten sie es direkt auf uns abgesehen.
Randy arbeitete gerade an der Maschine, ich stand vor dem Computer. Er hatte die Schutzhaube abgenommen, die Kristalle ausgewechselt und schaltete die Maschine ein, um die Aufhängung zu überprüfen, als wir hörten, wie sich die Tür öffnete. Wir drehten uns um und erwarteten Keanes Großmutter. Sie war die einzige, die einfach hereinplatzte. Keane und sein Assistent klopften stets vorher.
Vor uns standen zwei Typen von furchterregend durchschnittli chem Aussehen, schweigend, jeder hielt eine Knarre in der Hand.
Also, in jedem Spionagestreifen, den ich bisher gesehen hatte, machten sich die bösen Burschen an dieser Stelle selbst zu Narren, indem sie losplapperten, sich hämisch freuten, ihr Vorhaben verrieten und so dem dummen Helden die Chance zu einer ungeschickten Verteidigung boten. Ich war Realist genug, um zu wissen, daß diese Burschen alles andere als Narren waren. Ich fragte mich, ob ich noch Zeit genug haben würde, den Schuß zu hören. (Das habe ich mich schon immer gefragt. Und tue es heute noch.)
Aber Randy war auch ein Realist und absolut nicht dumm. Er wußte so gut wie ich, daß wir auf verlorenem Posten standen und uns nicht durch schöne Worte herausreden konnten. Er reagierte blitzschnell; er schnappte sich den nächsten greifbaren Gegenstand und schleuderte ihn den beiden Clowns entgegen. Der nächste greifbare Gegenstand war die Zeitmaschine.
Vor mir erstarrten zwei erstaunte Gesichter zu Eis. Dann duckte sich ein Kerl zur Seite weg. Der andere warf im Reflex seinen Pistolenarm hoch, um das fliegende Objekt abzuwehren. Es gelang ihm; da war ein Klicken, ein blauer Blitz, das übliche Knacken der Luft und ein Schrei. Die Maschine landete zusammen mit dem Revolver und ein paar blutigen Fingern auf dem Betonfußboden, gefolgt von der heulenden und zappelnden Gestalt des Revolverhelden, dessen rechter Arm bis zum Bizeps hinauf verschwunden war.
Ich zögerte eine Sekunde, die mich fast das Leben gekostet hat. Dann schleuderte ich alles, was mir zwischen die Finger kam – einen Stoß Computerbögen nämlich – dem anderen entgegen. Aus geduckter Position feuerte er einen Schuß ab. Die Kugel zischte durch die Papierwolke an meinem Ohr vorbei und traf die gegenüberliegende Wand. Randy warf sich auf ihn und brach mit einem harten Tritt den Arm, der die Pistole hielt. Randy und er schrieen vor Schmerzen auf, denn Randy hatte sich fast den Fußspann gebrochen. Die Knarre landete vor meinen Füßen. Ich nahm sie mir und hielt die beiden Ganoven in Schach.
Randys Adrenalinspiegel schwappte über, und er schäumte vor Wut. „Das ist die Rache für deinen Arm, Lou!“ schrie er. „Zwei zu eins für dich!“ Beim Anblick des ersten Kerls, der den ganzen Boden vollblutete, mußte ich gegen meinen nach oben wollenden Mageninhalt ankämpfen. Er brauchte schnellstens Hilfe, also wandte ich meine Aufmerksamkeit von ihm ab und versuchte, Randy zu beruhigen. Um ganz ehrlich zu sein, es war mir egal, ob der Halunke verblutete oder nicht, aber ich mußte auf meinen Magen Rücksicht nehmen.
Ich weiß nicht mehr, wen Randy zuerst anrief, Keane oder den Krankenwagen. Der Krankenwagen kam zuerst, und die kleinstädtische Rettungsmannschaft mußte beim Anblick der beiden Waffen nach Luft schnappen. Nicht wegen der Verletzungen; sie hatten wohl auf einem Dutzend Farmen bereits Schlimmeres gesehen. Sie riefen natürlich gleich die Polizei an, und weder Randy noch ich waren abgebrüht genug, um uns schnell eine hübsche Geschichte für die Bullen ausdenken zu können. Also erzählten wir ihnen die Wahrheit, ließen
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