Analog 03
Ihre wissenschaftliche Arbeit fortzusetzen.“
Ein neuer Anfang! Und die ganzen Jahre über hatte ich mir eingebildet, der Dekan würde sich der Illusion hingeben, man könne lehren und forschen zugleich. Dafür war ich ihm einiges schuldig. Schade, daß er Teetrinker war, sonst hätte er seinen Lohn schon bekommen.
Ich bemerkte, daß er von seinem letzten Urlaub – einer Kreuzfahrt, alle diese Grauwale unternahmen Kreuzfahrten – schön gebräunt zurückgekehrt war. Und er saß hinter einem wunderschönen Schreibtisch aus Teak. Eine Kreuzfahrt … Zeit zum Pläneschmieden … und ein Schreibtisch wie dieser würde mir schon genügen. Ja, wirklich, mir gefiel sein Schreibtisch.
Ich beugte mich nach vorn, krümmte die Finger und begann zu feilschen. Der Dekan nippte an seinem Tee und stellte dann die dampfende Schale ab. Keine Arbeit in den Ausschüssen. Sechs Stunden Vorlesungen für Fortgeschrittene pro Semester – vier, wenn ich einen Lehrstuhl übernahm.
Nach einer Weile lehnte er sich im Sessel zurück, Respekt in den Augen.
„Ich wußte gar nicht, daß es unter euch vom Englisch-Bereich so abgebrühte Exemplare gibt“, meinte er. „Ja, wahrhaftig, Sie verschwen…“ Er faßte sich und nippte an seinem Tee, um sein Stocken zu überspielen. „Ich rufe schnell den Präsidenten an. Er wollte wissen, wie Sie sich entschieden haben.“
Sobald er sich umgedreht hatte, griff ich nach seiner Schale. Er bevorzugte seinen Tee stark, so daß ich die Dosis der Struldbrugglösung verdreifachte. Er beendete den Telephonanruf, trank gierig den restlichen Tee aus und lächelte.
„Ich hätte Ihnen etwas zu trinken anbieten sollen. Wollen Sie etwas? Ich habe etwas Brandy, der sich vorzüglich zum Feiern eignet.“
„Während der Arbeitszeit trinke ich nicht“, erwiderte ich.
„Braves Mädchen“, sagte er zustimmend. „Bei einer solchen Einstellung haben Sie eine große Zukunft vor sich, das sehe ich.“
Als der Dekan letzte Woche einen Zusammenbruch erlitt, übernahm ich sein Büro. Ich lehnte mich in dem weichen Ledersessel zurück und schlug die Computerschaltkreise des Übermittlungsdienstes auf.
„Ich benötige den Ausdruck aller leitenden Angestellten“, verlangte ich. „Genauer gesagt der jüngeren leitenden Angestellten, sie dürfen nicht älter als 35 sein – aus dem Index Fortune Fünftausend. An sie alle geht folgender Brief heraus – auf Büttenpapier, nicht fotokopiert. Kopf: links oben eine Art Jungbrunnenmotiv. Darunter in geprägten Lettern die Aufschrift „Struldbrugg-Stiftung“. Brieftext wie folgt:“
„Sehr geehrter Herr (der Name ist im Ausdruck einzusetzen), sind Sie daran interessiert, trotz eines übergeordneten Managements, das erst im Tode abtreten will, rasche Karriere zu machen? Gestatten Sie mir, die Ergebnisse jahrelanger Forschungen mit Ihnen zu teilen …“
Verdammt richtig, ich hatte eine herrliche Zukunft vor mir!
THE STRULDBRUGG SOLUTION
by Susan M. Schwartz
Copyright © 1980 by Davis Publications Inc. aus ANALOG, September 1980.
Übersetzung: Irene Lansky
Michael McCollum
Das Leichentuch
Die auf dem nassen Asphalt kreischenden Reifen rüttelten John Frakes wach. Das einundzwanzig Jahre alte Flugzeug landete auf dem Aeroporto di Torino. Er seufzte und richtete sich in seinem Sitz auf. Das kurze Nickerchen während des vierzigminütigen Fluges von Rom war für ihn seit dreißig Stunden die erste Ruhepause. Seitdem die Gültigkeit der abschließenden Laborresultate als bewiesen angesehen werden konnte, störten gleiche, immer wiederkehrende Alpträume seinen Schlaf. Sofort, wenn er eingenickt war, tauchte aus den Tiefen seines Unterbewußtseins der finstere Blick seines Vaters auf und zerrte ihn mit Gewalt zurück in die Realität.
Reverend Lester Frakes war Zeit seines Lebens ein kämpferischer Geistlicher der Episkopalkirche gewesen. Selbst fünf Jahre nach dem Tod des alten Mannes wachte Frakes manchmal mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Seine Hände zitterten dann in einem Anfall von kindlichen Schuldgefühlen. Sein Vater hatte ihm niemals vergeben, daß er während seiner frühen Collegejahre sein Hauptfach, das Studium der Religion, zugunsten eines Chemiestudiums aufgegeben hatte.
„Da habe ich mir wohl einen verdammten Atheisten großgezogen, oder?“ schrie ihn Reverend Frakes an jenem verhängnisvollen Weihnachtsabend an, an dem er mit den Neuigkeiten herausrückte.
„Nein, mein Herr, einen Agnostiker.“
„Ich werde
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