Analog 03
hochaufragenden Bäumen um, betrachtete die Savannen, die sich bis zum Horizont erstreckten, den gewölbeartigen Himmel und die unzähligen Seen. Das alles ähnelte dem Paradies so sehr wie alles, was er je sehen würde, dachte ich. Ich fragte mich, ob er es auch so betrachtete.
Er blickte noch einen Augenblick zum glühenden Himmel auf und ignorierte ihn dann. Er legte die Hände oben flach auf die Platte und zog die Augenbrauen in die Höhe.
„Wo sind die Verdeaner?“
„Drei bis vier Meilen von hier haben sie ein Dorf“, sagte ich. „Dort lebt auch der Sachem.“
„Ach ja“, sagte Shagata beziehungsvoll, „der Sachem“.
Als überaus vorsichtiger Soldat ließ Shagata das Lager so nahe beim Sternentor errichten, daß dieses im Bedarfsfall verteidigt werden konnte. Die nächste Erhebung war eine baumbestandene Anhöhe in einer Entfernung von einer Meile. Er marschierte mit seinen Leuten dorthin, und eine Stunde lang wurde fieberhaft gearbeitet. Bis zum Anbruch der Dunkelheit war in dem Gebiet ein kleines Meer von Zelten aus dem Boden gewachsen.
Drei von Shagatas Panthern, die sich mit der Leichtfüßigkeit trainierter Athleten bewegten, legten auf der Hügelkuppe im Kreise ein Seil aus.
„Das ist ein Kele -Ring“, sagte Shagata. Er warf mir einen belustigten Blick zu. „Haben Sie davon je gehört?“
„Nein.“
„Das ist in meiner Einheit zur Tradition geworden. Es handelt sich um einen Kampfplatz für Herausforderer und Herausgeforderten. Um den Ring zu verlassen, kann man entweder als Sieger über das Seil hinwegschreiten – oder als Verlierer hinausgetragen werden. Kein Mann von Ehre verläßt den Ring, solange er noch stehen und kämpfen kann.“
Er klatschte plötzlich in die Hände. Zwei mit hölzernen Stöcken bewaffnete Panther schritten über das Seil in den Ring. Mit unbewegten Gesichtern verbeugten sie sich zuerst vor Shagata, dann voreinander.
Shagata klatschte nochmals in die Hände.
Sie sprangen aufeinander los, die Stöcke bewegten sich beinahe zu schnell, als daß man sie hätte verfolgen können.
In weniger als einer Minute war alles vorbei. Einer von ihnen machte eine Drehung und einen Ausfall, der den anderen überraschte, denn er hatte die Bewegung falsch berechnet. Es gab ein lautes Klatschen von Holz auf Knochen. Der Sieger blickte einen Augenblick auf den Mann hinunter, den er überwunden hatte, dann verbeugte er sich neuerlich vor Shagata und schritt über das Seil zurück.
„Sie bleiben natürlich zum Abendessen“, sagte Shagata und wandte sich ab.
Er stellte mir seine Untergebenen vor, einen Hauptmann mit langem Kinn namens Yamada und einen weiblichen Leutnant namens Noriko. Wie alle Panther trugen sie eine Uniform aus einem Stück von der Farbe einer nassen Robbe. Wie alle Panther waren sie sehnig und braun und sahen immens tüchtig aus. Als ich ihnen die Hand schüttelte, drang mir der verlockende Geruch und das Brutzeln von Steaks auf dem Grill in die Nase. Mein letztes Steak hatte ich vor einem Jahr gegessen. Ich hatte vorgehabt, Shagatas Einladung abzulehnen, aber jetzt lächelte ich. Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Ich kam zu dem Schluß, daß Erpressung eine Kunst sein konnte.
Wir aßen alle an einem kleinen, in Shagatas Zelt aufgestellten Tisch. Eine der Zeltwände war geöffnet worden, um uns die Aussicht auf Verdes prächtigen Sonnenuntergang zu ermöglichen.
Für einen Augenblick von vielleicht einer Minute, unmittelbar bevor es dunkel wurde, zeigte sich ein goldener Dämmerschein, als das Licht die Wolken erhellte. Der Wind wurde heftiger und umströmte uns seidig. Die Schatten der großen Bäume färbten sich hell wie Jade und Türkis, ehe sie mit dem Hintergrund verschmolzen. Ich hielt den Atem an. Es war Zauberei – doch eine, die sich auf Verde jeden Tag ereignete. Shagata hatte keinen Blick dafür.
Er sprach in den Kommunikator an seinem Kragen, und einen Augenblick später gab es ein wild zischendes Krachen. Die Bäume waren noch immer sichtbar, aber nur noch in Umrissen. Die Geräusche der Nacht waren verschwunden.
Ich blickte ihn über den Tisch hinweg an. „Ist eine Repulsorblase notwendig, Oberst? Was kann Sie hier schon … angreifen?“
Die Repulsorfelder waren im Erdkrieg entwickelt worden. Es handelte sich dabei um ein passives System, das gegen Energiewaffen schützte. Sein größter Nachteil bestand darin, daß es sich nicht bewegen ließ, ohne in seinem Energiefeld Wellen auszulösen. Wenn die Wellen stark genug wurden,
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