Analog 04
Ehre zu erweisen.“
„Das kannst du aber glauben. He! Begräbnis. Wie? Feuer oder Bestattung?“
„Eine Feuerbestattung scheint mir angebracht.“
„Saiten! Geräte? Schwermetall, Luftverschmutzung? Kommt nicht in Frage. Begraben, in Säure auflösen, von einem Berg herunter ins Meer werfen, damit die Fische ihre Eier in den Klangkörper legen können. Weißt du, warum ich sie Lady Macbeth genannt habe?“
„Nein, das habe ich nie herausbekommen.“
„Immer wieder hat sie sich angeschlichen und mich von hinten überfallen, wenn ich es nicht erwartet habe. Eine Saite ist gerissen, auf einmal war sie verstimmt, die Hochtöne haben gezerrt, und immer ohne jeglichen Grund. Heimtückisches Stück. Oh, Lady!“
„Ihr zwei wart gut füreinander, Jake. Sei froh. Es gibt nicht viele, die so ein gutes Instrument schon einmal in der Hand gehabt haben.“
„Da hast du verdammt recht. Halt bitte mal an. Ich möchte mein Essen überprüfen.“
„Mach das Fenster auf.“
„Dann mache ich das Auto …“
„Es regnet. Na los.“
„Oh. Ich dachte, das bin ich. Also gut. Oohh.“
Schließlich hörte das Auto auf, sich zu beschweren, jemand spritzte mich naß, und dann ging mein Haus auf und verschlang mich.
„Das Aspirin kannste vergessen“, murmelte ich, als das Bett auf mich zuraste. „Das brauche ich nicht.“
„Morgen wird es dir leid tun.“
„Tut mir jetzt schon leid.“
Das Bett und ich verloren zusammen die Schwerkraft, und wir wirbelten und kreisten durch das Universum des Makrokosmos.
Der ohrenbetäubende Donner meines Pulses weckte mich auf. Schon lange bevor ich Kraft genug hatte, um meine Augenlider zu heben, wußte ich, daß ich wach war. Ich wußte das, weil mir die Phantasie fehlt, um einen derartigen Geschmack im Mund im Traum zu erfinden. Ich war aber gern bereit zu glauben, daß ich mindestens hundert Jahre lang geschlafen hatte; ich fühlte mich alt. Das brachte mich auf die Idee, daß ich vielleicht die gesamte Totenwache verschlafen hatte – die Totenwache! Alles fiel mir blitzartig wieder ein; ich riß die Augen auf, und zwei große Eiszapfen wurden so tief in die Öffnungen getrieben, daß sie nicht weiter hineingingen und mit ihren Spitzen tief in meinem Kopf staken. Ich schrie. Das heißt vielmehr, ich versuchte zu schreien, und es hörte sich an wie ein Schrei – aber mein Puls hörte sich an, als schlüge jemand mit einem Vorschlaghammer auf einen leeren Öltank, und daher nehme ich eher an, daß ich blökte oder wimmerte.
Etwas Schweres, Borstiges lag über mir; es fühlte sich wie Roßhaar an, an dem das Roß noch dranhängt. Ich drückte es hoch, konnte es aber nicht vom Fleck bewegen. Ich weinte.
Die Stimme flüsterte ohrenbetäubend: „Guten Morgen, Jake.“
„Du mich auch“, krächzte ich wütend und zuckte zusammen, als der Geruch meines Atems an meiner Nase vorbeistrich.
„Ich habe dich gewarnt“, sagte Pjotr traurig.
„Du kannst mich zweimal. Herrgott noch mal, meine Wimpern tun mir vielleicht weh. Was liegt denn da auf mir?“
„Eine Baumwolldecke.“
„Bah.“
„Du hättest das Aspirin annehmen sollen.“
„Das verstehst du nicht. Ich bekomme nie einen Kater.“
Pjotr gab keine Antwort.
„Verdammt noch mal, wirklich nicht. Auch nicht, als ich noch ein Säufer war oder als ich zum erstenmal blau war – einfach nie. Das liegt an meinem Stoffwechsel. Schlimmstenfalls wache ich morgens auf und habe keinen Hunger – aber nie Kopfweh, nie Übelkeit, nie Schwächegefühle, nie.“
Pjotr blieb lange still. Dann: „Gestern abend hast du weit mehr als sonst getrunken.“
„Mensch, ich war wirklich schon besoffener. Viel zu oft, Mann.“
„Seit ich dich kenne, noch nie.“
„Na ja, das stimmt. Vielleicht kommt es daher … nein, ich hatte auch früher schon Rückfälle. Ich bekomme einfach keinen Kater.“
Er ging aus dem Zimmer und blieb eine Weile weg. Ich verbrachte die Zeit damit, einen vollständigen Katalog all jener Stellen zusammenzustellen, die mir weh taten. Mit meinen Daumennägeln fing ich an. Ich war schon recht weit gekommen, als Pjotr zurückkam; ich hatte gerade die Hälfte der Stellen auf meinem Unterarm aufgenommen, als er mit einem schwerbeladenen Tablett in den Händen zur Tür hereinkam. Ich wollte ihn gerade anschreien: „Schaff das Essen hier raus!“, als der Duft mich erreichte. Ich richtete mich auf, und das Wasser lief mir im Mund zusammen. Er stellte mir das Tablett auf den Schoß, und ich ignorierte die
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