Analog 04
umherstehen wie Ziegen im Stall, dann muß man auch darauf vorbereitet sein, sechs- oder zehnmal an einem Abend hinausrennen zu müssen, um ewig mit dem Auto zu rangieren und den hinauszulassen, der gehen will. Diese immer wieder vorkommende Szene sieht so aus wie ein chinesischer Probealarm auf höherer Ebene oder vielleicht wie ein Autoscooter-Betrieb für Erwachsene – Doc Webster meint, daß es für einen Marsbewohner wahrscheinlich wie eine riesige Roboterorgie aussehen würde und nennt das ganze beharrliche Autoerotik.
Dann gibt es da noch das Schließungsritual. Ungefähr fünfzehn Minuten vor Schluß kommt jemand, gewöhnlich der schnelle Eddie Costigan, unser Klavierspieler, mit einem großen plastikummantelten Abfalleimer und macht die Runde zu allen Tischen. Auf jedem Tisch steht einer von diesen an einem Stift versenkbaren Aschenbechern. Irgend jemand von den Leuten, die an dem Tisch sitzen, schraubt den Aschenbecher heraus und leert die Kippen in den Eimer. Danach steckt Eddie zwei Ecken der Plastiktischdecke in den Eimer und spült sie mit einer Wasserflasche ab. Die anderen Aufräumungsarbeiten wie Aufwischen und Aufräumen werden jeden Abend irgendwie von irgend jemandem erledigt. Mike Callahan braucht dann nur noch die Bar abzuwischen, die Lichter auszumachen und kann nach Hause gehen. Daher hat es Mike nicht eilig, seine Freunde hinauszuwerfen, obwohl er sorgfältig darauf achtet, nach der Sperrstunde nichts mehr auszuschenken. Ich kann mich sogar an verschiedene Gelegenheiten erinnern, an denen er seine Kneipe rund um die Uhr nicht dichtgemacht hat; er gab dann umsonst Getränke aus, bis die Zeit kam, an der er sie wieder legal verkaufen durfte.
Schließlich ist da noch der alte Pjotr. Sie verstehen, niemand, der betrunken ist, fährt von Callahans Kneipe nach Hause. Wenn Mike der Meinung ist, daß jemand genug hat – und sie werden nie ein Prüfröhrchen bauen, das so genau wie Mikes geschultes Urteil ist –, dann gibt es nur noch eine einzige Methode, von ihm noch etwas zu trinken zu bekommen. Man gibt die Autoschlüssel ab und läßt sich von Pjotr heimfahren, wenn es soweit ist, denn der trinkt nur destilliertes Wasser. Am nächsten Morgen fährt man Pjotr dann wieder zu seinem kleinen Haus, das nur ein Stückchen die Straße hoch von Callahans Kneipe entfernt steht. Wenn Sie meinen, das wäre zuviel Mühe, dann können Sie ja anderswo trinken. Sie werden sehen, wie weit Sie damit kommen.
Die ersten beiden Jahre, nachdem wir Pjotr zum erstenmal bei Callahan gesehen hatten, überlegten sich manche von uns, was Pjotr wohl von dieser Gepflogenheit hatte. Keinem von uns ist es jemals gelungen, ihn dazu zu bewegen, am nächsten Morgen auch nur ein Frühstück umsonst anzunehmen, und wie soll man einem Mann einen ausgeben, der nur destilliertes Wasser trinkt? Das Wasser bekam er von Mike natürlich umsonst, aber vier oder fünf Liter Wasser an einem Abend ist als Lohn doch recht dürftig, wenn man bedenkt, wie viele Stunden Pjotr für uns hinter dem Steuerrad verbracht hat, und dazu noch in der Gesellschaft von Betrunkenen, die nicht nur dann und wann Krach machen. Dazu kommt die Unbequemlichkeit, viele Nächte in einem fremden Bett oder auf einer Couch oder auf dem Boden verbringen zu müssen. (Viele der Gäste, und besonders jene, die dann und wann mehr als einen zur Brust nehmen wollen, sind verheiratet. Ihre Frauen verehren Pjotr fast durchweg und sind glücklich darüber, ihn dann und wann aufnehmen zu können.)
Da wir gerade davon sprechen: Keinem von uns ist es gelungen herauszubekommen, womit Pjotr sein Geld verdiente. Er mußte am nächsten Morgen nie zu einer bestimmten Zeit an einer bestimmten Stelle sein, und er kam nie erst spät zu Callahan. Fragte man ihn, was er denn machte, so sagte er nur: „Ach, dieses und jenes, wenn ich darankomme“ und ließ das Thema fallen. Dennoch schien er nie Geld zu benötigen, und während der gesamten Zeit, die ich ihn kannte, nahm er niemals auch nur eine Erdnuß von der freien Mahlzeit in Anspruch.
(Es gibt in Callahans Kneipe tatsächlich eine frei Mahlzeit, die durch Spenden getragen wird. Das Geld in dem Glas neben der freien Mahlzeit ist fast immer mehr als der Preis für die Mahlzeit, aber niemand kümmert sich besonders darum, daß dies auch ja immer der Fall ist. Ich erinnere mich noch an zwei üble Wochen, in denen diese freie Mahlzeit das einzige Protein war, das ich zu mir nahm, und niemand hat mich dafür auch nur schief
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