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Analog 04

Analog 04

Titel: Analog 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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    Pjotr sieht zwar für seine mitteleuropäische Herkunft ein wenig blaß, aber auf jeden Fall nicht unterernährt aus. Auch Falten hat er nicht allzu viele, aber seine Haut sieht trotzdem aus wie altes Leder. Auf jeden Fall bestand für uns keine Veranlassung, unsere Nasen in seine Angelegenheiten zu stecken. Was mich betraf, so hielt ich ihn für eine Art Pensionär mit einer ausgeprägten altruistischen Ader, und dabei ließ ich es bewenden.
    Er sieht auf jeden Fall alt genug aus, um ein Pensionär sein zu können. Oh, für sein Alter ist er noch sehr gut in Form, aber wenn man bemerkt, daß er in seine vorgehaltene Hand hineinzusprechen pflegt und daß er leicht lispelt und daß sein Lächeln ihm nie die Lippen auseinanderzwingt, dann kommt einem manchmal die Idee, ihm könnte vielleicht die eine oder andere Brücke fehlen. Und seine Augen sind irgendwie seltsam …
    Wie auch immer, an diesem Abend hatte Pjotr mehr als gewöhnlich zu tun, denn er mußte all die Opfer der Totenwache für Lady Macbeth nach Hause fahren. Das dauerte recht lange. Er nahm bei jeder Fuhre drei Leute mit und benutzte den Wagen desjenigen, der am weitesten entfernt zu Hause war. Für die nächste Fuhre kam er dann immer mit dem Taxi zurück. Zwei von drei Gästen waren damit gezwungen, am nächsten Tag mit dem Taxi zu Callahans Kneipe zu fahren, wenn sie ihr Auto zurückhaben wollten. Ich war stolz auf die Ehre, die sie meiner toten Lady erwiesen. Pjotr und Callahan beschlossen, mich bis ganz zum Schluß aufzuheben. Vielleicht verfuhren sie nach dem Prinzip, sich das Schlimmste bis zum Schluß aufzuheben – ich war voll und hatte das Stadium erreicht, in dem man aufdringlich fröhlich und herzlich wird. Endlich waren alle anderen Versehrten weggeschafft, und Pjotr tippte mir auf eine schwankende Schulter.
    „Also schweißen sie … ah, hallo Pjotr, nur noch fünf Mo … Mi … Monuten, bis ich Mike hier die Geschichte zu Ende erzähle … also, sie schweißen dem riesigen Fremden aus den Weiten des Weltraums Handschellen an und schleifen ihn vor Gericht für’n Prozeß, und wie sie ihn verteidigen, nein, vereidigen wollen, frißt er den Verteidiger ganz auf.“
    Diesen Witz hat Mike mir erzählt, aber er ist ein mitleidiger Mensch. Er steckte sich seine Zigarre neu an und stellte die richtige Frage. „Und was sagt der Rechtsanwalt?“
    „Ich protestiere gegen diese Einvernahme meiner Person, ’s doch klar, ha, ha!“ Pjotr lachte höflich mit und nahm mich am Arm. „Es ist wohl Zeit, dichtzumachen, was, Pjotr, mein bester alter Balte? Zeit für’n Abflug, was? Warum mußt du mich eigentlich herumschleifen, kannst du mir das sagen? Rück die Schüssel nein, Schlüssel – raus, Mike. Ich bin lange nicht so besoffen, wie du glaubst, Mike – ich meine, du glaubst, ich bin lange besoffen, nein, Scheiße, beim erstenmal war’s richtig, also, ich, ich muß wohl doch voll sein. Alles klar, jetzt brauche ich nur noch meine Hose …“
    Beide mußten mithelfen, um mich zum Auto zu schaffen. Ich bemerkte, daß ich einen Fuß, der sich vom Boden gelöst hatte, nur mit größten Anstrengungen wieder herabzwingen konnte. Ein Autositz sprang hoch und schlug mir gegen mein Hinterteil. Eine Tür schlug zu. „Sieh zu, daß er zwei Aspirin nimmt, bevor er ganz umfällt“, sagte Callahans Stimme wie aus meilenweiter Entfernung.
    „In Ordnung“, sagte Pjotr, der nur einige Blocks weit weg war, und mein alter Pontiac erwachte unter Brummen zum Leben. Plötzlich bäumte sich die Welt auf, wir stürzten von einem Felsen herab und landeten eine Million Jahre später in weißem Wasser. Ich spürte, daß mir schlecht wurde, und plapperte fröhlich drauflos, um das abzuwehren.
    „Ausgezeichnet, Pjotr, alter Kumpel, absolute Spatzenklisse, ehrlich.
    Du fährst prima, nicht leicht bei Glatteis, aber wenn du das Auto weiter su rumdrehst, dann graben wir noch im Landen – ich meine, im Graben, wir kommen rechts ab, nach rechts ab, verstehst du? Komm, fahren wir zur Navy, ich gebe einen aus, und dann singen wir. Ich bin nämlich Sieger, und dann singen wir. Herrgott noch mal, ich habe sie auf der Bar liegengelassen! Einfach liegengelassen – kehr um. Verdammt noch mal, ich habe meine Lady in der Kneipe vergessen!“
    „Das macht nichts, Mike. Mr. Callahan schließt sie ein. Wir haben noch einige Tage Totenwache vor uns, richtig nach irischer Art, was? Selbst die, die heute nicht da waren, sollten die Möglichkeit bekommen, ihr die letzte

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