Analog 1
Kenton Langly durch ein Fernglas zu dem fremden Schiff hinüber und bemühte sich, nicht zu blinzeln. Er befand sich erst seit sechs Stunden auf diesem Planeten, und seine Augen neigten immer noch dazu, im unvertrauten rot-orangenen Licht der Sonne 61-Cygni zu tränen. „Die Landeschwingen werden eingefahren“, verkündete er.
Die Frau an seiner Seite bemerkte nichts dazu. Ohne hinzusehen, erkannte Kenton ihre starre Haltung und den verkniffenen Mund. Seit ihrem ersten Zusammentreffen vor drei Stunden war sie zornig, und seine sanft ausgesprochene Einladung, mit ihm zusammen die Landung anzuschauen, hatte sicherlich nicht zu einer Verbesserung dieses Zustandes geführt. Wie auch immer das Problem geartet sein mochte, es bedurfte einer Klärung – und Kenton zog es vor, seine Konfrontationen privat auszutragen.
„Dr. Rolland“, sagte er, ohne die Augen von dem fremden Schiff abzuwenden, „wenn wir wirkungsvoll zusammenarbeiten wollen, dann werden wir um das Kommunizieren nicht herumkommen. Ich würde gerne wissen, was Sie erzürnt.“
Dr. Anne Rolland schüttelte den Kopf. „Nichts Wichtiges, Dr. Langly. Es wird keine Auswirkungen auf Ihre Arbeit haben.“
„Tut mir leid, aber das genügt mir nicht.“ Kenton sah sie an. „Ich möchte mich gerne mit meinen Mitarbeitern unterhalten, ohne Gefahr laufen zu müssen, betroffene Mienen zu sehen – das ist eine Marotte von mir. Wenn Sie etwas gegen mich persönlich haben, dann kann ich Kertesz vielleicht bitten, einen anderen medizinischen Beobachter hierherzubeordern.“
„Beobachter!“ stieß sie verächtlich hervor. „Sie wollten sagen: Boß. Es ist doch immer dasselbe: Die Erde erteilt die Befehle, läßt das Protektorat sein Scherflein hinzufügen, um dann einen ganzen Schwarm hochbesoldeter Zentrumsbürokraten herzusenden, die alles übernehmen. Ich weiß, wir sind ein unbedeutender Planet, und das hier ist ein bedeutendes Projekt, aber wenn wir kompetent genug sind, den Ball ins Rollen zu bringen, dann sollten wir auch kompetent genug sein, dranbleiben zu dürfen. Wenn nicht – wo wart ihr Vögel eigentlich, als wir versuchten, alles noch rechtzeitig zu arrangieren? Wir hätten viel mehr Unterstützung und Personal brauchen können.“
„Nun, technisch gesehen …“ Kenton verstummte. Anne war kaum in der Stimmung, sich seine Argumente anzuhören, die er hatte vorbringen wollen. Tatsächlich hatte sie ihn aber bereits überholt.
„Ja, ich weiß. Technisch gesehen ist Cygni immer noch ein Protektorat, und daher gehören Ressourcen und Leute strenggenommen der Erde – und das setzt dem Unrecht nur noch die Krone auf. Sie wissen wahrscheinlich nichts davon, aber wir wollten bereits letztes Jahr den Status einer Unabhängigen Welt beantragen. Aber diese Thrulmod-Affäre belastet unsere Ökonomie so empfindlich, daß wir wahrscheinlich erst in mehreren Jahren wieder soweit sein werden.“ Sie schlug mit der Faust auf das Balkongeländer.
Kenton nickte. Das hatte er schon fast befürchtet gehabt. Der Wunsch der Kolonien nach Unabhängigkeit war so stark, wie er es auch auf der Heimatwelt jahrhundertelang gewesen war. Völlige Freiheit war ohnehin unmöglich; die Terranische Allianz grenzte sowohl an das valtianische, wie auch an das seslianische Imperium, und nur die außerordentliche Macht der Menschheit verhinderte, daß sich diese beiden Todfeinde gegenseitig zerfleischten. Daher waren die Unterschiede zwischen Protektorat und Unabhängiger Welt größtenteils symbolischer und psychologischer Natur – und doch war dieser Status Wechsel, wie Kenton herausgefunden hatte, für alle Protektorate von vitalem Interesse. Er verstand das nicht völlig, aber schließlich war er ja auch von der Erde.
„Ich verstehe Ihren Zorn“, sagte er behutsam, „aber freiheraus, ich glaube die gute Arbeit, die Cygni hier geleistet hat, wird das Zentrum wesentlich mehr beeindrucken als jede ökonomische Statistik. Erinnern Sie sich doch nur an den Popularitätsaufschwung von Drei-Stern nach dem Dorianischen Krieg vor zweihundert Jahren. Die derzeitige Situation ist damit durchaus vergleichbar.“
Wie Kenton zur Kenntnis nahm, hatte sie über diesen Aspekt bisher anscheinend noch nicht nachgedacht. Sie nickte langsam, fast widerwillig, und einige der harten Linien verschwanden aus ihrem Gesicht.
„Und um eines noch klarzustellen“, fuhr er fort, „Ambassador Kertesz mag vielleicht hier sein, um die Verhandlungen in die Hand zu nehmen, aber ich bin nicht hier,
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