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Analog 3

Analog 3

Titel: Analog 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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hätte die Harmonie gestört. Die Treppe war gerade breit genug, um zwei !Tang nebeneinander Platz zu lassen, und jede Stufe war einen guten halben Meter hoch. Als ich oben angekommen war, war ich sowohl müde als auch in leichter Panik.
    Ein Raumfahrer sollte vor Höhen keine Angst haben, und die habe ich auch nicht, solange ich in einem Fahrzeug sitze. Als ich aber die Spitze der Mauer erreicht hatte und die ebenso lange wie gefährliche Treppe hinuntersah, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen. Warum konnten sie nicht einfach ein Tor in der Mauer lassen?
    Ich saß eine Minute lang da und sah auf die kleine Ansiedlung hinunter. Die geometrische Regelmäßigkeit war tatsächlich angenehm. Jedes Gebäude war entweder ein Würfel oder ein Turm von Würfeln, und das Gestein, aus dem die Stadt gebaut worden war, hatte man sorgfältig sortiert, so daß die Gebäude eine gleichmäßige Farbgebung erhielten. Die Farben gingen von Marmorweiß über Sandgelb und Rotbraun bis zu Perlgrau und Obsidianschwarz. Die Straßen bestanden aus einem regelmäßigen Muster von Backsteinen. Ich drückte mich eng an die Wand und stieg hinunter.
    Am Fuß der Treppe saß ein !Tang auf einer niedrigen Bank und schaute sich den Verkehr an, den es nicht gab. „Ich begrüße Sie“, klickte und schnarchte ich ihn an, „wirklich schönes Wetter heute.“
    „Nicht überall“, grunzte und keuchte er zurück. Eine ungewöhnlich direkte Antwort.
    „Warten Sie auf mich?“
    „Wer mag das sagen? Ich warte.“ Sein Rüssel beschrieb einen philosophischen Kreis in der Luft. „Wenn Sie nicht gekommen wären, wer weiß, worauf ich dann gewartet hätte?“
    „Nun, das ist richtig, das ist richtig.“ Er beschrieb einen Kreis in Gegenrichtung, was nach meiner Meinung ,Was sonst?‘ bedeuten sollte. Ich stand eine Minute lang da, während er auf mich, zu Boden oder in den Himmel sah. Das wußte man nie genau.
    „Ich hoffe, das ist keine unhöfliche Frage“, sagte er. „Werden Sie mir verzeihen, wenn das eine unhöfliche Frage ist?“
    „Ich werde es auf jeden Fall versuchen.“
    „Heißen Sie !ica’o !va!o?“
    Das war bewundernswert nahe. „Genau richtig.“
    „Sie können mir folgen.“ Er stand auf. „Oder den schönen Tag genießen.“
    Ich ging dicht hinter ihm her die enge Straße hinunter. Falls er in eine Menge geraten würde, ginge er mir auf jeden Fall verloren. Ich konnte ein weibliches Wesen im Sexualzustand vier nicht von einem Neutrum unterscheiden, weil ich keinen Sonar besitze. (Sie unterscheiden sich dadurch von uns, daß sie Körperhöhlungen erfassen können. Sehr romantisch.)
    Wir gingen durch den Stadtmittelpunkt mit Brunnen und Marktplatz. Einige Dutzend !Tang handelten um Nahrungsmittel, Kunsthandwerk oder Abstraktionen. Sie waren die geschäftstüchtigste Rasse des Planeten, obwohl sie statt Geld Arbeitswert verwendeten: Für die beiden häßlichen Fische dort gebe ich Ihnen ein Originalsonett über Ihre Tochter und drei ekelhafte Limmericks für die nächste Begegnung Ihrer Affinitätsgruppe. Höchstens vier Limmericks.
    Wir betraten ein großes weißes Gebäude, das vielleicht das Rathaus war. Es war offensichtlich bewacht, zumindest symbolisch, denn zwei !Tang mit entblößten Armen standen davor.
    Es bestand aus einem einzigen großen Raum, der an eine Moschee auf der Erde erinnerte. Viereckige Säulen in regelmäßigem Muster stützten die Decke. Die Säulen trugen zu sauberen Quadraten angeordnete Regale bis in eine Höhe von ungefähr zwei Metern; auf den Regalen lagen saubere Stapel von Büchern nach dem Muster der Ziehharmonika. Obwohl in der Decke quadratische Glasscheiben eingelassen waren, die genügend Licht einließen, herrschte ein starker Geruch nach verbranntem Fischöl vor, was bedeutete, daß sie das Gebäude nachts benutzten. (Wir hatten die Elektrizität bei ihnen eingeführt, aber sie benutzten sie nur für schwere Maschinen und Spielzeuge.)
    Der !Tang führte mich in die hinterste Ecke, in der ein Heuhaufen sich kritzelnd über ein Buch beugte. Sie waren gezwungen, sich beim Schreiben oder Lesen bis auf ein paar Zentimeter dem Buch zu nähern, denn ihre Lichtaugen taugten nur für die Nähe.
    „Es ist so geschehen, wie du vorausgesagt hast, Onkel.“ (Als Prophezeiung nicht übermäßig verblüffend, weil ich gestern einen Boten hergeschickt hatte.)
    Onkel wedelte mit seiner Nase in meine Richtung. „Sind Sie der gleiche, der vor vier Tagen hier war?“
    „Nein. Ich war noch nie hier. Ich bin

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