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Analog 3

Analog 3

Titel: Analog 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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einzubilden, ich könnte alles vergessen, mich in der Forschung vergraben, in der Arbeit aufgehen.
    Es war natürlich nicht so einfach. Das ist es nie. Der Krieg verfolgte mich, drückte mir seinen Stempel auf. Es gab einige, eine Handvoll, die mich meiner Handlungen wegen für schuldig hielten, für schuldig an den Millionen Toten – den Träumen, die nie in Erfüllung gehen würden.
    Leider – für meinen Seelenfrieden – gehörte ich zu dieser Handvoll.
    „Erzählen Sie mir von Shagata“, sagte ich, schärfer als beabsichtigt. „Ist er wirklich aus Stein, oder wirkt er bloß auf mich so?“
    Sie lachte. „Haben Sie von den Panthern gehört?“
    „Ja, Geschichten.“
    Sie nickte. „Sie sind wahr, zumindest die meisten von ihnen. Oberst Shagata hat den Kehricht, die leeren Hülsen, den menschlichen Abfall, der von den anderen Waffengattungen des Neuen Nippon ausgestoßen wurde, zusammengesammelt – und formte aus ihnen eine der berühmtesten Kampfeinheiten in den Außenwelten.“
    „Und Shagata geht ihnen mit seinem Beispiel voran?“
    „Das stimmt. Er ist ein Meister der martialischen Künste. Sind Ihnen die Samurais ein Begriff, Dr. Kirst?“
    „Ja.“
    „Oberst Shagata hält sich für eine moderne Ausgabe dieses uralten Kriegers. Er glaubt an Bushido , den Ehrenkodex der Samurai.“
    „Warum hat er eine so große Abneigung gegen mich? Man müßte blind sein, es nicht zu bemerken.“
    Sie nickte wiederum. „Sie haben Männer in den Tod geschickt, aber nicht selbst gekämpft. In seinen Augen mangelt es Ihnen an Ehrenhaftigkeit.“
    „Und die Panther“, sagte ich, „was ist mit ihnen?“
    Sie lächelte. „Sie sind seine verlängerten Arme. Sie würden buchstäblich alles für ihn tun.“
    „Ich verstehe. Und wie steht es mit Ihnen, Leutnant? Würden Sie für Oberst Shagata alles tun?“
    Sie warf mir einen herausfordernden Blick zu. „Ich bin Marineoffizier, Dr. Kirst. Das in erster Linie. Und in Zweiter … bin ich ein Panther.“
    Und das, dachte ich düster, sagte alles.
     
    In der kühlen Helligkeit des Morgens sah alles ein bißchen freundlicher aus. Draußen vor der Hütte fiel leichter Regen. Tropfen glitzerten auf den Blättern der Bäume. Vögel zwitscherten. Der Morgennebel war verschwunden.
    Ich wandte mich um und schenkte meine Aufmerksamkeit Morge, der mich mit einer mürrischen Abart von Geduld betrachtete.
    Verdeaner waren keine Menschen, obwohl es gewisse oberflächliche Ähnlichkeiten gab. Sie waren zweifüßig und hatten entgegengestellte Daumen (wenn auch nur drei Finger). Ihre knochigen Köpfe drehten sich wie die von Vögeln auf langen, dünnen Hälsen. Horizontal über ihren Nasen verlief ein dunkler Streifen chitinösen Materials – ihr Sehorgan.
    Morges Finger bewegten sich mit geübter Geschwindigkeit, er redete mit mir in der Pidgin-Zeichensprache.
    „Ihre Freundin bleibt nicht bei Ihnen?“
    „Sie hat es vorgezogen, draußen zu schlafen“, sagte ich. „Ich hoffe, sie ist nicht naß geworden.“ Zwar konnten sie nicht Englisch sprechen, aber die Verdeaner hatten ein ausgezeichnetes Gehör, und einige von ihnen hatten sich Brocken der Sprache angeeignet. Morges Vokabular umfaßte mehr als dreihundert Worte.
    „Sie ist nicht naß geworden“, teilte er mir durch Zeichen mit. „Sie hat unter einem Tobukbaum geschlafen.“
    Ich nickte und ging zum Eingang. „Besuchen wir den Sachem“, sagte ich.
    Wir fanden ihn vor der größten Hütte, er kauerte vor der gemeinschaftlichen Nahrungsmittelschüssel. Bei ihm befand sich, an die Stütze der Hütte gelehnt, Noriko.
    „Guten Morgen, Sir … äh … Pan.“
    Sie blickte gerade lange genug auf, um mir ein Lächeln zuzuwerfen, dann lenkte sie ihren Blick auf den Sachem zurück. „In nahezu einer Stunde hat er sich kein einziges Mal bewegt“, sagte sie. Die Ehrfurcht in ihrer Stimme war unverkennbar.
    Ich zuckte die Achseln und ließ mich mit gekreuzten Beinen unmittelbar links vor den ausgestreckten Füßen des Sachem nieder.
    „Ich habe gesehen, daß er tagelang die Lage nicht gewechselt hat“, sagte ich. Ich studierte den lebenden Berg vor mir und verspürte ebenso eine ununterdrückbare Ehrfurcht.
    Sein verdeanischer Name war Cirlos, was „Er, der lehrt“ zu bedeuten hatte. In seinem breiten Schatten vor ihm sitzend, kam ich mir wie ein Pygmäe vor, der eine Sequoia aufsucht. Der Sachem war riesig. Darüber hinaus war er gelassen, monumental, ein lebendes Wesen, das irgendwie den Stempel des Göttlichen

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