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Analog 3

Analog 3

Titel: Analog 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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hat“, sagte ich zu ihr. Wenn man die reichhaltige Brühe um uns entfernte, wären sie blind. Sie würden nie, dachte ich mit unbestimmtem Bedauern, in den Weltraum fahren können. Noch würden sie je die Sterne sehen. Sie befanden sich in einem Käfig, auf ewig in den Grenzen dieser einen Welt festgehalten.
    Gefangen.
    Im Paradies.
    Natürlich verläuft keine Straße bloß in einer Richtung. Was mochten die Verdeaner sehen, das wir nicht sehen konnten?
    Gelegentlich ging Noriko auf die Jagd, ihre einzigen Waffen waren ein Satz von fünf ziselierten Messern. Kleinwild war reichlich vorhanden, ihre Geschicklichkeit grenzte ans Magische. Wir aßen gut.
    „Haben Sie je Luade -Messer verwendet?“ Ihre nahezu mandelförmigen Augen blickten mich fragend an.
    „Nein.“
    „Sie sind wunderbar ausbalanciert.“ Sie reichte mir eine Handvoll glänzenden scharfen Stahls und zeigte auf einen fünf Meter entfernten Holzklotz. „Man braucht sie nicht heftig zu werfen; eine einfache Bewegung aus dem Handgelenk genügt.“
    Ich versuchte es, traf nicht, versuchte es wieder, traf. Ich nahm das nächste in die Hand und bewunderte die Stahlarbeit.
    „Alle Panther tragen Luade -Messer“, sagte Noriko ernst. „Das ist eine Tradition.“
    „Oberst Shagata scheint sehr an der Tradition zu hängen“, erwiderte ich.
    „Mag sein.“ Sie holte sich die zwei geworfenen Messer wieder, reichte sie mir.
    „Sie gehören Ihnen, Pan. Mein Geschenk an Sie. Das ist auch eine Tradition.“ Sie blickte mich an und lachte.
     
    Sie brachten den sterbenden Verdeaner in der Dämmerung herein, trugen ihn sorgsam, so daß seine Arme nicht schleiften. Als sie den Sachem erreichten, legten sie die Gestalt sanft zu Boden, glätteten das Fell und schienen untereinander zu beraten. Verdeaner erschienen scheinbar aus dem Nichts, und sie alle, Erwachsene wie Kinder, drängten sich auf dem Platz.
    Unter den Bäumen war es dunkel und ruhig. Zu dunkel, um deutlich zu sehen. Ein Feuer brannte und warf Schatten, die unheimlich über der versammelten Menge flackerten.
    Noriko berührte mich an der Schulter und flüsterte: „Was ist los?“
    „Sehen Sie zu“, sagte ich. Ich hatte ein ähnliches Ereignis im zweiten Monat meines Aufenthaltes auf Verde schon einmal gesehen. Damals wie jetzt hatte Cirlos die Sterbesakramente gespendet.
    Er legte beide Handflächen neben der kleinen zuckenden Gestalt auf den Boden. Dann hob er sie und begann den Boden zu schlagen, wobei jeder Schlag stärker war als der vorhergehende. Der sterbende Verdeaner zuckte und wurde starr, und das Geräusch des Klopfens dröhnte durch die Luft.
    Unvermittelt hörte Cirlos auf. Er hob den Kopf und starrte angestrengt in die Leere vor sich. Dann erhob er sich, und seine Arme strebten vor Anstrengung nach oben. Der Feuerschein umflackerte ihn und verwandelte ihn für kurze Zeit in eine Statue aus Vertiefungen und Punkten, in einen Dämon jetzt, keinen Halbgott.
    Dann war alles, so rasch, wie es begonnen hatte, vorbei. Ein leises Rascheln war zu hören, als sich die Verdeaner abwandten und unter den Bäumen verschwanden. Der Körper wurde rasch weggetragen. Die Nacht brach voll herein, schwärzte die Schatten und verwandelte den Himmel in eine kaum wahrnehmbare Schüssel, der Mond war kaum aufgegangen.
    „Was hatte das alles zu bedeuten?“ fragte Noriko. Sie wandte sich mir zu, und ich konnte gerade noch das Oval ihres Gesichtes ausmachen.
    „Wohin verschwindet das Licht, wenn man den Schalter abdreht?“ fragte ich. „Wohin verschwinden die Lebensquanten, wenn ein Verdeaner stirbt?“
     
    „Bitte erzählen Sie mir von Stürmen“, sagte Cirlos. Er saß an seinem Lieblingsplatz am Ende des Marktes. Seine Finger bewegten sich ausdrucksvoll, und sein massiger Kopf drehte sich mir zu und starrte auf mich herunter. Er wirkte unruhig, beinahe aufgeregt.
    Ich betrachtete ihn einen Augenblick lang, bevor ich antwortete. Wochen- und monatelang hatte ich versucht, aus dem Apfelgrün seines Gesichts klug zu werden. Ich glaubte jetzt, etwas zu entdecken. Was jedoch? Traurigkeit? Schicksalsergebenheit?
    Ich gab es auf. Ich beschrieb ihm ein Gewitter, aber das war es nicht, was er wissen wollte. Seine Finger beschrieben ein neues Muster.
    „Gibt es andere Stürme?“
    Ich nickte (er würde wahrnehmen, daß sich meine Lebensquanten ihm zuneigten) und erzählte ihm von Hurrikanen und Zyklonen, erweiterte meinen Vortrag dann um Taifune und Tornados. Tornados schienen ihn kurz zu interessieren, dann

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