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Analog 4

Analog 4

Titel: Analog 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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hatte.
     
    Ich überlegte mir, wo ich hinspringen sollte, und setzte meinen unschuldigsten Gesichtsausdruck auf. „Hallo, Eddie.“
    „Grüß dich, Jake“, sagte er kurz. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt seinem Gefangenen.
    „Ich sage es dir zum letztenmal, Edward …“, begann der alte Herr mit einem spanischen Akzent.
    „Maul halten. Kein Mensch hat dich was gefragt. Stell dich dort drüben an die Bar und fang an, aber schnell.“
    „Eddie“, fing Callahan sanft an.
    „Maul halten, sage ich.“
    Ich war schockiert. Eddie verehrt Callahan. Der kleine Pianist gestikulierte mit seiner Kanone, und der alte Spanier seufzte resigniert und kam auf mich zu.
    Als er aber an mir vorbeikam, veränderte sich sein Gesichtsausdruck plötzlich. Wenn der alte Odysseus um eine letzte, mühselige Ecke gebogen wäre, um Penelope mit gespreizten Beinen und einem süßen Lächeln auf ihrem Gesicht auf einer Liege ausgestreckt vorzufinden, dann hätte sich sein Gesicht vielleicht auf eine ähnliche Art verändert. Der alte Herr starrte voller ungläubiger Freude an mir vorbei auf den Heiligen Gral, auf das Goldene Vlies, in das Gelobte Land, auf …
    … auf die zerstörte Lady Macbeth.
    „Santa Maria“, stöhnte er. „Madre de Dios.“



Jahre hoben sich von seinen Schultern, bittere Jahre, Jahre verschwanden von seinem Gesicht und glätteten es. Die Hände senkten sich langsam zu den Saiten herab, und ich sah diese Hände, sah sie zum erstenmal wirklich. Mit einemmal wußte ich, wer das war. Meine Augen weiteten sich.
    „Montoya“, sagte ich. „Domingo Montoya.“
    Er nickte geistesabwesend.
    „Aber Sie sind tot.“
    Er nickte wieder und trat vor. Seine Augen träumten, aber sein Schritt war fest. Eddie blieb an seinem Platz stehen. Montoya blieb vor der Lady stehen, und er verbeugte sich tatsächlich vor ihr. Und dann sah er sie an.
    Zuerst ließ er seine Augen an ihr entlangwandern, so wie ein Mann eine Frau von den Zehenspitzen an aufnimmt. Ich beobachtete sein Gesicht. Er lächelte fast, als er den Steg erreichte. Fast runzelte er die Stirn, als er das Schalloch und die Narben darum erreichte, die verrieten, daß ich einmal töricht genug gewesen war, einen Tonabnehmer an sie zu schrauben. Als er zu dem Griffbrett und dem Bund anlangte, lächelte er wirklich, und er bewunderte die Kurven an ihrem Hals. Dann fiel sein Blick auf den entsetzlichen Bruch, und einen Augenblick lang schlössen sich seine Augen. Sein Gesicht verlor jeglichen Ausdruck; seine Augen öffneten sich wieder und musterten das Wrack mit leidenschaftsloser Gründlichkeit. Sie wanderten weiter und prüften den Kopf.
    Dieser erste Blick dauerte vielleicht acht Sekunden. Er richtete sich auf, schloß seine Augen noch einmal und verankerte die Erinnerung deutlich in seinem Kopf. Dann wandte er sich mir zu. „Ich danke Ihnen, Sir“, sagte er sehr formal. „Das Geschick meint es gut mit Ihnen.“
    Ich dachte darüber nach. „Ja, ich glaube, Sie haben recht.“
    Er drehte sich wieder um und sah sie noch einmal an, und dieses Mal sah er wirklich hin. Aus verschiedenen Winkeln, aus der Nähe und aus der Ferne. Die Verbindung von Hals und Klangkörper. Die Verbindung von Hals und Wulst. „Licht“, sagte er und streckte seine Hand aus. Callahan gab ihm eine Taschenlampe, und Montoya überprüfte den Teil ihrer Verstrebungen, die er durch ihren offenen Mund sehen konnte. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, er werde sie jetzt gleich auffordern, ihre Zunge herauszustrecken und „Ah“ zu sagen. Er warf die Taschenlampe nach hinten über seine Schulter – Eddie fing sie mit seiner freien Hand auf – und beugte sich herab, um an dem Hals entlangzusehen. „Handtuch“, sagte er und richtete sich auf. Callahan holte ein sauberes Handtuch hervor. Er wischte sich seine Hände sehr sorgfältig Finger um Finger ab und begann mit der Zärtlichkeit einer Mutter, die ihr Kind badet, die Lady hier und dort zu berühren.
    „Jake“, sagte Longdrink mit unterdrückter Stimme. „Was ist hier eigentlich los, zum Teufel? Wer ist der Typ?“
    Von Montoya kam kein Anzeichen, daß er das gehört hatte; er war beschäftigt.
    „Erinnert ihr euch noch, was ich euch gestern abend erzählt habe? Daß es in diesem Land vielleicht noch vier Gitarrenbauer der Meisterklasse gibt?“
    „Klar. Und der Typ da ist ein Meister?“
    „ Nein “, rief ich empört.
    „Also, was denn?“
    „Es gibt noch eine Stufe höher als Meister. Zauberer. In der gesamten Geschichte der Welt

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