Anansi Boys
die Decke s ich sehr weit absenkte und es viele Verstecke f ü r kleine Tiere gab, an die größere Tiere nicht herankamen.
Tiger stapfte so weit in die Höhle hinein, wie er noch bequem gehen konnte. »Glaubst du, ich kann nicht warten?«, fragte er. »Früher oder später m u sst du ja rausko m men. Ich rühr m ich nicht vom Fleck.« Tiger legte sich hin. Er machte die Augen zu, und schon ba l d begann er recht überzeugende Schnarchgeräusche von sich zu geben.
Nachdem Tiger ungefähr eine halbe Stunde lang vor sich hingeschnarcht hatte, kam das blasse Tier hinter den Felssteinen hervorgekrochen und bewegte sich, von einem Schatten zum nächsten schlüp f end, auf einen groß e n Knochen zu, an dem noch eine Menge Fleisch hing, das man gut essen konnte, wenn man sich nicht an seinem etwas strengen Geruch störte, und das tat das blasse Tier nicht. Um allerdings zu dem Knochen zu gelangen, m u sste es an dem großen Tier vorbei. Es lauerte noch ein wenig im Schatten, dann schli c h es auf kleinen leisen Sohlen los.
Als es auf Höhe des schlaf e nden Tigers war, kam eine Vorderpranke herau s geschossen, eine Klaue sauste auf den Schwanz des Geschöpfes nieder und nagelte ihn fest. Eine weitere Klaue hielt das kleine Wesen h i nter dem Genick gepackt. Die große Katze öff n ete die Augen. »Mal offen gesprochen«, sagte sie. »Es s ieht so aus, als wü r d en wir hier zusammen feststecken. Ich verlange daher von d i r nichts weiter, als dass du dir ein bissch e n Mühe g i bst. Ich m ö chte bezweifeln, dass wir je Freunde werden, aber vielleicht können wir lernen, uns gegenseitig zu tolerieren.«
»Ich vers te he, was du me ins t «, sagte das kleine Frettchenwesen. »Was sein m u ss, m u ss sein, wie es heißt; Not kennt kein Gebot.«
»Das ist so ein Beispiel für das, was ich meine«, sagte Tiger. »Du m u sst einfach l e rnen, auch mal den Mund zu halten.«
»So hat doch alles«, sagte das kleine Tier, »auch seine guten Seiten.«
»Jetzt ärgerst du m i ch schon wieder«, sagte Tiger. »Ich habe doch versucht dir das klarzumachen: Verärge r e m i ch nicht, und ich beiß dir nicht den Kopf ab.«
»Du benu t zt schon zum wiederholten Mal die Wendung › m ir den Kopf abbeißen‹. Ich darf das doch wohl so verstehen, dass das irgendeine me taphor i sche Sprechweise ist, die so viel besagen will wie: dass du m ich in so einem Fall dann anschreien wirst, wo m öglich sogar zie m lich laut und wütend?«
»Ich beiß den Kopf ab. Dann zerknack ich ihn. Dann kaue ich ihn. Dann schluck i c h ihn run t er«, sagte Tiger.
»Keiner von uns be i d en kann h i er weg, bis Anans i s Kind vergisst, dass wir hier sind. So wie dieser Mistkerl es offenbar hingedreht hat, wirst du, selbst wenn ich d i ch am Morgen töte, bis zum späten Nac h m ittag wieder in diese verdam m t e Höhle hineingeb o ren werden. Geh m ir also nicht auf die Nerven.«
Das kleine weiße Tier sagte: »Ach, na ja. K o m m t Zeit…«
»Wenn du jetzt sagst »kom m t Rat‹«, sagte Tiger, »dann werde ich ärgerlich, und das würde ernste Folgen haben.
Sage. Nichts. Was. Mich. Nervt. Hast du verstanden?«
Es folgte eine kurze Stille in der Höhle am Ende der Welt. Sie wurde dann beendet von einer kleinen wieseligen Stimme, die sagte: » S elbstverfreilich.«
Sie wollte noch »Aua!« sagen, wurde aber jäh und sehr wirkungsvoll zum Verstummen gebracht.
Und dann war an diesem Ort nichts mehr zu hören als knirschende Kaugeräusche.
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WAS IN DER E I NSCHLÄG I GEN LITERATUR ÜBER Särge in der Regel überhaupt keine Erwähnung findet weil es, offen gesagt, auch kein Kaufargume n t für etwa i g e Interessenten ist –, ist die Tatsac h e, dass diese Särge wirklich sehr bequem sind.
Mr. Nancy war ausgesprochen zufrieden mit seinem Sarg. Nachdem alle Aufregung j e tzt vorbei war, hatte er sich in seinen Sarg zurückgelegt, um ge m ü tlich zu dösen. Hin und wieder wachte er auf und rief s i ch in Erinnerung, wo er wa r , dann drehte er sich auf die andere Se i te und schlief we i ter.
Das Grab ist, wie gesagt, e i n angenehmer Ort ganz zu schweigen davon, dass man do r t ganz und gar ungestört ist – und als solcher ausgeze i chnet dafür geeignet, eine kleine Auszeit zu ne h m en. Sechs Fuß unter der Erde, was Besseres gibt es nicht. Noch mal zwanzig Jahre oder so, dachte er, dann würde es vielleicht langsam Ze i t werden, ans Aufstehen zu denken.
Er öffnete ein Auge, als die Beerdigung begann.
Er konnte
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