Anansi Boys
u m er ihr diese Frage gestellt hatte. Um sie bei Lau n e zu halten? Sich über sie lustig zu mac h en? Musste er einfach nur irgendetwas sagen, um k e in betretenes Schweigen entstehen zu lassen? Aus w e lchem Grund auch immer, er sprach es aus. Und s ie kaute nickend auf ihrer Unterlippe.
»Du m u sst es wissen. Es ist dein Erbe. Deine Blutlinie.«
Sie ging auf ihn zu und krümmte den Zeigefinger. Fat Charlie beugte sich hinunter. Die Lippen der Alten wischten an seinem Ohr entlang, als sie flüsterte: »… ihn brauchst … sag’s einer …«
»Was?«
»Ich sagte«, sagte sie in ihrer nor ma len Stimme, »wenn du ihn br a u chst, sag es einer Spinne. Dann kom m t er angeflitzt.«
»Ich soll es einer Spinne sagen?«
»Hab ich grad gesagt. Glaub s t du, ich rede hier nur für meine Gesundheit? Da m it mei n e Lunge nicht einrostet?
Noch nie davon gehört, dass Leute m it den Bienen sprechen? Als ich noch ein Mädch e n war in Saint Andrews, bevor me ine Fa m ilie hierher gezogen ist, da ist ma n immer zu den Bienen gegangen, um ihnen all die guten Neuigkeiten zu erzählen. Ja ja, und das hier ist das Gleiche. Sprich m it der Spinne. So hab ich f r üher auch immer deinem Vater Nachrichten zukommen lass e n, we n n er mal wieder verschwunden war.«
»…Aha.«
»Sag nicht auf diese Art ›Aha‹ zu mir.«
»Auf welche Art?«
»Als war ich eine verrückte a lte Frau, die nicht alle Tassen im Schrank hat. Glaubst d u . ich weiß nicht, w o ’s langgeht?«
»Ähm. Doch, das glaube ich bestim m t . Ehrlich.«
Mrs. Higgler war nicht beschwichtigt. Sie war alles andere als vergnügt. S i e nahm ihren Kaffeebecher vorn Tisch und hielt i hn in den Händen, machte dazu ein Gesicht, aus dem reine Missbilligung sprach. Fat Charlie war jetzt zu weit gegangen, und Airs. Higgler war entschlossen, ihm das un m issverständl ic h klarzumachen.
»Ich m u ss das hier nicht m achen, weißt du«, sag t e sie.
»Ich m u ss dir nicht helfen. I c h mach das nur wegen deinem Vater, er war was Besonderes, und wegen deiner Mutter, das war e i ne feine F r au. Ich erzähl dir große Sachen. Ich erzähl dir wichtige Sachen. Du so l ltest m ir zuhören. Du solltest m i r glauben.«
»Ich glaube Ihnen«, sagte Fat Charlie so überzeugungskräftig, wie er es ve r m o c hte.
»Jetzt willst du nur e iner allen Frau erzä h len, was sie hören will.«
»Nein«, log er. »Gar nicht. Ehrlich nicht.« Seine Worte trieften vor Aufrich t igkeit und Wahrheit. Er war tausend Meilen von zu Hause weg, im Haus seines verstorbenen Vaters, zusammen m it einer v e rrückten alten Frau, die am Rande eines Schlaganfalls zu s t ehen schien. Notfal l s, wenn das zu ihrer Beruhigung beigetr a gen hätte, hätte er ihr auch bestätigt, dass d e r Mond irgendeine außergewöhnliche tropische Frucht sei, u n d er hätte es nach besten Kräften auch geglaubt.
Sie rü m p fte die Nase.
»Das ist doch das Problem m it euch jungen Leuten«, sagte sie. »Nur weil ihr no c h nicht so lange hier seid, glaubt i h r, dass ihr alles w i sst. Ich hab in me inem Leben schon m e hr vergessen, als ihr je wissen werdet. Du weißt überhaupt nichts über deinen Vater, und du weißt überhaupt nichts über d e ine Fa m ili e . Ich erzähl dir, dass dein Vater ein Gott, ist, und du fr a gst nicht mal, was denn für ein Gott.«
Fat Charlie versuchte sich an ein paar Namen von Göttern zu erinnern. »Zeus?«, bot er an.
Mrs. Higgler machte ein G e räusch wie ein Kesse l , der das Kochen unterdrücken will. Woraus Fat C h arlie m it einiger Sicherheit schloss, dass Zeus die falsche Antwort gewesen war. »Amor?«
Sie machte ein weiteres Gerä u sch, das a l s eine Art Prusten begann und sich zu einem Kichern entwickelte. »Kann mir deinen Dad richtig ausmale n , wie er nichts als so eine flauschige Windel t r ägt und dazu Pfeil und Bogen.« Sie kicherte noch ein bisschen. Dann nahm sie einen Schluck Kaffee.
»Damals, als er ein Gott war « , sagte sie. »In den alten Zeiten, da hat ma n i h n Anansi genannt.«
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NUN, W AHRSCHEINL I CH kennen S i e einige Geschichten über Anansi; wahrscheinli c h gibt es auf der ganzen Welt niemanden, der noch nie eine A n ansi-Geschichte gehört hätte.
Anansi war eine Spinne, da m a ls, als die Welt noch jung war und alle Geschichten zum ersten Mal erzählt wurden. Er ist immer wieder in Sch w ierigkeiten geraten, und er ist aus diesen Schwierigkeiten a u ch i mmer wieder herausgekommen. Die Onkel-Re m u
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