Anansi Boys
ihm Unbehagen, gaben der Welt etwas Unwirkliches. Er rieb s ich die Augen, und dann war die P e rson neben der Hecke verschwunden. Fat Charlie hoff t e, dass der Mann weitergegangen war, die Straße entl a ng in die Ü b erreste des Morgennebels hinein, und alles wieder m i tgenommen hatte, was er an Peinlichkeiten, Ä r gernissen und Verrücktheiten angeschleppt haben m o chte.
Und dann klingelte es an der Tür.
Fat Charlie zog seinen Morgen ma ntel über und ging nach unten.
Noch nie, in seinem ga n zen Leben nicht, hatte er vor dem Öffnen der Tür die Sicherheitskette vorgelegt, aber diesmal steckte er, bevor er den Türgriff drehte, den Kettenkopf in die vorgesehene Schiene, und zog anschließend die Haustür etwa fünfzehn Zentimeter we i t auf.
»Guten Mo rgen?«, sagte er vorsichtig.
Das Lächeln, das durch den Türspalt drang, hatte ein ganzes Dorf beleuchten können.
»Du hast m i ch gerufen, i c h bin gekommen«, sagte der Fremde. »Also. M a chst du mir jetzt die Tür auf, F a t C h arlie?«
»Wer sind Sie?« Noch während er die Frage aussprach, fiel ihm ein, wo er den Mann schon mal ges e hen hatte: bei der Beerdigung seiner Mutter, in der k l einen Kapelle des Krematoriu m s. Schon da ma ls war ihm dieses Lächeln aufgefallen. Und er wusste die Antwort schon, bevor der Mann sie aussprach.
»Ich bin dein Bruder«, sagte der Mann.
Fat Charl i e schloss die Tür. Er zog die Sicherheitskette ab und machte die Tür ganz auf. Der Mann war noch da.
Fat Charl i e war sich nicht völ l ig sicher, wie man einen mögliche r weise i maginären Bruder begrüßt, an dessen Existenz man bisher nicht geg la ubt hat. Und so s t anden sie also da, der eine auf der ein e n, der andere auf der anderen Seite der Tür, bis sein Brud e r sagte: »Du kannst m ich Spider nennen. Hast du vor, m i ch hineinzub i tten?«
»Ja. Doch. Natürlich. Bitte. K o mm rein.« Fat. Charlie führte den Mann nach oben.
Mitunter geschehen un m ögli c he Dinge, Dinge, d i e gar nicht geschehen kö n nen. Wenn sie dann doch geschehen, versuchen die meisten Leute irgendwie da m it klarzuko m men. Heu t e werden, wie an j e dem Tag, etwa fünf ta usend Menschen auf diesem Pla n eten etwas erleben, dessen Wahrscheinlichkeit bei ungefähr eins zu einer Million liegt, und kein einziger von i hnen wird sich weigern, dem zu trauen, was seine S i nne ihm m itteilen. Die meisten werden, in ihrer jeweiligen Landessprache, so etwas sagen wie »Ist schon eine ko m ische Welt, wie?« und d a nach einfach weiter m achen. Während also e i n Teil von Fat Charlie noch um logische, vernünftige, zurec h nungsfähige Erklärungen für das, was hier vorging, rang, war er anderer s eits doch schon im Begriff, sich an die V o rstellung zu gewöhnen, dass hinter ihm a u f der Tre p pe ein Br u der ging, von dem er bislang nichts gewusst hatte.
Sie gelangten zur Küche und blieben dort stehen.
»Möchtest du eine Tasse Tee?«
»Hast du auch Kaffee?«
»Nur Pulver, fürchte ich.«
»Das ist völlig in Ordnung.«
Fat Charlie setzte den K e ssel auf. »Kom m st du von weit her?«, fragte er.
»Los Angeles.«
»Wie war der Flug?«
Der Mann setzte sich an den Küchentisch. Er zuckte die Achseln. Es war ein Achselz u cken, das alles und nichts bedeuten konnte.
»Ähm. Hast du vor, lä nger zu bleiben?«
»Darüber hab ich noch nicht groß nachgedacht.« Der Mann Spider sah sich in Fat Charlies Küche u m , a l s sei er zuvor no c h nie in einer Küche gewesen.
»Wie trinkst du deinen Kaffee?«
»Schwarz wie die Nacht, süß wie die Sünde.«
Fat Charlie stellte d e n Bec h er vor ihm ab. reichte ihm eine Z u ckerschüssel. »Bedien d ich.«
Während Spider sich einen Löffel Zucker nach dem anderen in seinen Kaffee schaufelte, setzte Fat Charlie sich ans gegenüberliegende Tis c hende und starrte ihn an.
Es bestand eine gewisse Fa m ilienähnlichkeit zwischen den beiden Männern. Das war unbezweifelbar, erklärte aber, für sich genommen, noch nicht das starke Gefühl der Vertrautheit, das Fat Charlie beim Anblick von Spider e m pfand. Sein Bruder sah so aus, wie Fat Charlie sich selbst gern sah, in seiner Vorstellung, unbeeinflusst von dem i mmer etwas enttäuschenden Bild, das der Bursche abgab, den er m it m onotoner Regelmäßigkeit im Badez i mmerspiegel erblickte. Spider war größer, schla n ker und cooler. Er trug eine schwarze und scharlachrote Lederjacke sowie schwarze enge Lederhosen, und er trug sie m it großer Selbs t verständl ic
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