Anarchy in the UKR
unterstützen, sie sagten, sie seien auch gegen den Krieg, boten ihre Hilfe an und zeigten ein Foto von ihrem Guru, der irgendwo in Tibet wohnte, aber ab und zu durch die Welt tourte und für die Ökumene kämpfte. In die Ukraine wollte man ihn nicht reinlassen, das nahm die Buddhisten schrecklich mit, und sie sahen darin die Merkmale eines volksfeindlichen Regimes, was – zu allem Unglück – der Wahrheit entsprach. Und womit könnt ihr uns helfen? fragten wir die Buddhisten. Wir können kommen, sagten sie, und ein Friedensgebet sprechen. Und was ist das für ein Gebet? Die Buddhisten stellten sich schnell in einer Reihe auf, holten ihre Pioniertrommeln hervor und begannen im Chor ihren rituellen Gesang. Das Friedensgebet war in russischer Sprache verfaßt und enthielt viele rhetorische Wendungen und Floskeln. Es erinnerte an den Eid des Sowjetsoldaten – etwa so, vor dem Antlitz meiner buddhistischen Genossen gelobe ich, für den Frieden zu kämpfen und die mir zur Nutzung anvertraute Militärtechnik pfleglich zu behandeln. Sie blieben, wie ich schon sagte, in der Gruppe, einzeln machten sie einen eher undefinierbaren Eindruck, sahen aus wie junge Sträflinge, die man in orangerote Röcke gesteckt und gezwungen hatte, ein Friedensgebet zu zelebrieren. In das religiöse Flackern ihrer Augen mischte sich der rötliche Schein der Schizophrenie. Ich fand sie gut.
Vor dem Konzert kam ein Vertreter des volksfeindlichen Regimes zu mir, der dort, in ihrem volksfeindlichen Regime, für den Dialog mit den Religionsgemeinschaften zuständig war. Sie erwarten hier Buddhisten? fragte er streng. Ja, Buddhisten, antwortete ich. Was haben sie vor? Einen rituellen Gesang darbieten, antwortete ich, also ein Friedensgebet sprechen. Aha, sagte er beunruhigt, ein Friedensgebet. Können Sie mir den Text geben? Hören Sie mal, sagte ich zu ihm, fordern Sie zu Ostern von der orthodoxen Kirche vielleicht auch die Gebetstexte an, um sich sozusagen zu überzeugen, daß der Herr auferstanden ist und dieses Jahr keine unliebsamen Überraschungen zu erwarten sind. Wißt ihr, er hatte seine Taktik geändert und rückte mir vertraulich auf die Pelle, ich verstehe euch nicht: ihr kämpft gegen das volksfeindliche System, also gegen uns – seine Stimme klang warm und gedämpft, Scheiß KGBler, wo lernen die das nur –, aber was wollt ihr mit den Buddhisten? Was heißt, was wir mit ihnen wollen, ich versuchte wegzurücken, sie sind für den Frieden. Also, ich zum Beispiel bin auch für den Frieden, sagte er. Aber rituelle Gesänge können Sie keine, wandte ich ein. Ich verstehe euch trotzdem nicht, fuhr er fort. Ihr ladet sie ein, abzocken müßt ihr die, sollen hübsch bezahlen, die Ärsche, wissen Sie, was die für Kohle haben? Nein, weiß ich nicht, gab ich zu. Der Typ nickte ein paar Mal traurig mit dem Kopf, was wohl soviel heißen sollte wie: Kohle haben die bis zum Abwinken.
Komisch, dachte ich – wahrscheinlich mag er die Vertreter der buddhistischen Gemeinde nicht, interessant zu wissen, wie er mit den anderen Gemeinden den Dialog führt, vielleicht mag er sie auch nicht? Vielleicht ist er Atheist? Oder noch schlimmer – Vertreter irgendeines Satanskults, vielleicht haben sie ihn wegen seiner satanistischen Vergangenheit zum Leiter der Abteilung für den Dialog mit den Religionsgemeinschaften ernannt, haben sich gedacht – uns steht auch ohne Religionsgemeinschaften die Arbeit bis zum Hals, in unserem volksfeindlichen Regime, delegieren wir diese Angelegenheit gleich an einen verdienten Satanisten, der wird denen schon die Hölle heiß machen, diesen Freimaurern. Er bekam also grünes Licht und schritt entschlossen zur Tat, betrat jeden Morgen sein Büro mit dem Kupferschild »Komitee für den Dialog mit den Religionsgemeinschaften«, auf dem Tisch lagen Okkultismus-Lehrbücher und eine Satansbibel, er begann seine Sprechstunde für die Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Wenn er in seinem Büro mit dem nächsten Siebten-Tag-Adventisten allein war, stürzte er sich auf das wehrlose Opfer, fesselte es an Händen und Füßen und nahm zu prophylaktischen Zwecken verschiedene rituelle Handlungen an ihm vor. Das Opfer stieß Angstschreie aus, die Vertreter der anderen Religionsgemeinschaften, die im Korridor saßen und auf ihren Termin warteten, zogen nervös die Schultern hoch, dem letzten Besucher riß er Herz und Leber heraus, legte sie in eine große Plastiktüte vom Target-Supermarkt und machte sich im Bewußtsein
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