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Anarchy in the UKR

Anarchy in the UKR

Titel: Anarchy in the UKR Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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daß es so dunkel war, von unten konnte mich niemand sehen, ich konnte auch nichts sehen, Hauptsache rechtzeitig stehenbleiben. Ein paar Meter weiter war das Dach zu Ende. Ich setzte mich auf die Schieferplatten und schob mich langsam an den Rand vor. Sah nach unten. Auf dem Platz brannten ein paar Laternen, keiner da, wie’s aussah, jedenfalls hätte ich sowieso keinen gesehen, auch wenn jemand dagewesen wäre. Vor mir lag die Augustdunkelheit und hing eine Fahne. Ich zog daran. Die Fahne war am Dach festgemacht. Ich zog stärker. Die Fahne erschlaffte. Ich zog sie mitsamt der Stange heraus und fing an, das Fahnentuch abzureißen. Als ich fertig war, steckte ich es in die Tasche, holte aus der anderen Tasche meine Fahne heraus und befestigte sie an der Fahnenstange. Es sah nicht gerade elegant aus, aber unten, dachte ich, merkt das keiner. Ich machte die Fahne fest. Nicht sehr fest, aber sie hielt, muß auch gar nicht so fest sein, dachte ich, morgen wird sie sowieso runtergerissen. Ich drehte mich vorsichtig um und kroch zurück, kletterte zur Mauer und hangelte mich hinunter. Ich rannte über das Dach, fand meinen Baum und begann, vorsichtig hinunterzuklettern. Ich trat auf einen Ast, der hielt nicht und brach durch. Ich stürzte ab, schlug auf die Erde, drehte mich ein paar Mal, stand schnell auf und rannte in die nächste Seitenstraße. Als ich ein paar Straßenzüge geschafft hatte, stellte ich mich unter eine Laterne. Die Jeans waren am Knie aufgerissen, aus der Wunde floß Blut. Ich holte die Fahnentrophäe aus meiner Tasche, riß ein Stück ab und versuchte, mir einen Verband zu machen. Es klappte nicht so richtig, die Fahne saugte sich voll, die Konstruktion am Bein hielt nicht. Scheiße, dachte ich und schmiß den blutverschmierten Fetzen ins Gras. Mußte das nun sein, dachte ich, die Jeans zerrissen, ein Schwachsinn, im Suff da hochzuklettern; ich verfluchte mich, verfluchte meine Freunde, die mich dazu gedrängt hatten, was sind das für tolle Junggardisten, Komsomolzen vom Amur, verdammt.
    Das Erwachsenenleben war anziehend und abstoßend zugleich. Eines Tages verstand ich plötzlich, daß die Welt doch nicht so durchdacht war, wie es mir mit sieben vorgekommen war, ich verstand, daß es jemanden gibt, der den Raum zuteilt, und daß ich, genauso wie der Rest, nach Regeln spielen muß, die sich ein anderer ausgedacht hat. Das Erwachsenenleben schnitt Fratzen, und diese Fratzen verhießen nichts Gutes. Alles, was zuverlässig, eingespielt und praktisch war wie meine Torwarthandschuhe, erwies sich im Erwachsenenleben als nicht wirklich brauchbar und völlig nebensächlich. Es öffnete sich etwas Großes, Dunkles und überaus Reizvolles, als würde das Licht im Kino ausgehen und eine unheimliche Vorführung bevorstehen, auf die ich überhaupt nicht vorbereitet war, die ich aber um nichts in der Welt versäumen wollte. Die Vergangenheit blieb in den Schubladen der alten Tische und in den Bücherregalen zurück, bedeckte als warmes Pulver Fotoalben und zerlesene Zeitschriften, wurde mit Hockeyschlägern in Schrankaufsätzen und Garagen verstaut, legte sich in Kleiderschränken als Staub auf Pullover und Shirts, aus denen ich herausgewachsen war, man konnte sie noch berühren, ihren groben Stoff fühlen, aber wer machte das schon, wahrscheinlich niemand. Durch das Aufeinandertreffen eigenartiger Umstände fiel der Beginn unseres Erwachsenenlebens mit merkwürdigen und schmerzhaften Dingen zusammen, die sich ringsum abspielten und die, so schien es auf den ersten Blick, mit unserem Erwachsenwerden nichts zu tun hatten. Aber gerade in dieser bitteren und empfindlichen Zeit, wenn in dir alles auseinanderbricht und neu zusammenwächst, ist in unserer Umgebung etwas Ähnliches passiert, wir mußten mit ansehen, wie das Erwachsenenleben unser Land zerstörte, unsere Eltern zerbrach, wie es alle Überflüssigen und Nutzlosen ausspuckte, alle, die nicht verstehen konnten, was da vor sich ging. Ob diese Erfahrung nützlich war, frage ich mich heute. Ich weiß nicht, bin nicht sicher, ich bin generell nicht einverstanden, daß jede Erfahrung nützlich ist, das ist meiner Meinung nach eine Übertreibung, denn man kann schließlich das ganze Leben lang an der Küste wohnen und kein einziges Mal einen Ertrunkenen sehen. In unseren Hoheitsgewässern gab es aber immer mehr Leichen.
    Im letzten Schuljahr brach ich mit ein paar Freunden die Tür auf und stieg im Schuldachboden ein. Aus verständlichen Gründen war der Zugang

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