Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
zugestimmt hättest?« fragte Korotkow erstaunt. »Was wäre dann passiert? Er hatte das Geld ja bereits für den Computer ausgegeben.«
»Aber genau darum geht es doch«, ereiferte sich Nastja, »er kannte meine Antwort im voraus. Er wußte ganz genau, daß ich den Computer der Urlaubsreise vorziehen werde. Obwohl ich ihm gegenüber niemals auch nur mit einem Wort erwähnt habe, daß ich einen Computer für die Arbeit brauche. Ich habe mit Ljoscha nie darüber gesprochen, wofür ich dreitausend Dollar ausgeben würde. So viel Geld habe ich niemals besessen und er bis dahin auch nicht, so daß es in dieser Hinsicht nie etwas zu besprechen gab. Und als das Geld plötzlich da war, hat er mit absoluter Sicherheit gewußt, was ich damit machen würde. Das heißt, daß er mich nicht nur kennt, sondern meine Bedürfnisse spürt wie seine eigenen. In diesem Moment habe ich verstanden, daß es in meinem Leben nie wieder einen zweiten Ljoscha geben wird.«
»Mag ja sein«, sagte Korotkow mit einem skeptischen Lächeln, »aber kein anderer normaler Mann würde deine ständige Arbeitswut hinnehmen und deine maßlose Faulheit. Gib es zu, du sehnst dich nach einem gemütlichen Heim, um das du dich selbst nicht zu kümmern brauchst. Mir brauchst du nichts von großen Gefühlen zu erzählen, dazu kenne ich dich zu gut.«
»Immer dasselbe mit dir«, erwiderte Nastja mit einem Seufzer, »du mußt immer alles plattwalzen.«
Die Geschichte mit dem Computer überzeugte niemanden, aber in der Tat war es so, wie Nastja behauptete. Und als sie gegen neun Uhr abends die Tür zu ihrem Büro abschloß und sich innerlich für fast anderthalb Monate von diesem Ort verabschiedete, tat sie es mit dem Gedanken, daß es sicher kein Fehler war, morgen in den Stand der Ehe zu treten.
Auf dem Weg zur Metro fiel ihr ein, daß sie noch ein Geschenk für ihren Halbbruder besorgen mußte. Alexander Kamenskij war der Sohn ihres Vaters aus zweiter Ehe, und auch er würde morgen heiraten. Er war acht Jahre jünger als Nastja und hatte lange Zeit das hektische Leben eines Geschäftsmannes geführt, der es nur mit dem großen Geld zu tun hatte. Seine Ehe war langweilig, und er hatte nie vom Glück geträumt, bis er einem außergewöhnlichen Mädchen begegnet war, das ihn aufrichtig und völlig selbstlos liebte. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis er an sein Glück glauben konnte, aber dann hatte er sich von einem Moment auf den anderen in einen Zauberer verwandelt, dessen höchstes Vergnügen darin bestand, Geschenke zu machen und Wunder zu vollbringen. Nachdem er erfahren hatte, daß seine Halbschwester, die einen großen Anteil an seinem Glück mit Dascha hatte, am 13. Mai heiratete, hatte er alle Hebel in Bewegung gesetzt und weder Mühe noch Kosten gescheut, um sich so schnell wie möglich scheiden zu lassen und seinen eigenen Hochzeitstermin auf denselben Tag zu legen. Er wollte unbedingt, daß beide Paare auf demselben Standesamt heirateten, doch da hatten ihm alle seine Beziehungen nichts genutzt. Es war unmöglich, sich auf einem anderen Standesamt trauen zu lassen als dem, das für den Wohnbezirk der Braut oder des Bräutigams zuständig war. Die einzige Ausnahme bildete der Hochzeitspalast, wo sich jeder, unabhängig von seinem Wohnort, trauen lassen konnte, aber da hatte sich Nastja auf die Hinterbeine gestellt. Keinerlei Paläste, keinerlei Pomp, alles sollte möglichst schnell, unauffällig und bescheiden über die Bühne gehen.
Saschas grandiose Idee von der Doppelhochzeit sah folgenden Ablauf vor: Beide Paare würden zuerst zu dem Standesamt fahren, in dem seine Trauung mit Dascha stattfand, dabei sollten Nastja und ihr Bräutigam als Trauzeugen fungieren, anschließend würde man sich ins Auto setzen und zu dem Standesamt fahren, in dem die Ehe zwischen Nastja und Ljoscha geschlossen werden sollte, wobei er und Dascha als Trauzeugen auftreten würden. Danach würden sie sich glücklich vereint zu dem Restaurant begeben, in dem bereits die vier Elternpaare und das bescheidene Hochzeitsmahl auf sie warten würden.
»Sollten wir nicht lieber darauf verzichten?« hatte Nastja unschlüssig gefragt. Sie hatte nicht vor, aus ihrer Hochzeit ein großes Fest zu machen. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß unser gemeinsamer Vater sich sehr wohl fühlen würde in Gegenwart seiner beiden Ehefrauen, der früheren und der jetzigen.«
»Ach, Nastja, das ist doch Unsinn. Es sind schon so viele Jahre vergangen, das regt doch niemanden mehr auf.
Weitere Kostenlose Bücher