Anastasija 04 - Tod und ein bisschen Liebe
Ganz im Gegenteil, ich bin überzeugt davon, daß wir es genau richtig machen. Du hast so viel für mich und Dascha getan, daß ich weder deiner Hochzeit fernbleiben noch meine ohne dich feiern kann.«
»Aber deswegen hättest du deinen Hochzeitstermin ja nicht mit meinem Zusammenlegen müssen«, hatte Nastja verärgert gesagt. »Du erzeugst Probleme, und die andern sind dann gezwungen, sich mit ihnen herumzuschlagen. Was hätte es ausgemacht, wenn wir im Abstand von einer Woche geheiratet hätten?«
»Und das Fest?« hatte Sascha empört entgegnet. »Der ganze Sinn der Sache ist doch die Doppelhochzeit. Das ist doch das Wunderbare daran. Später werden wir die Jahrestage unserer Hochzeit miteinander feiern. Nastja, du hast den Blick einer Eule auf das Leben, du hast überhaupt keine Ahnung, was für Feste man feiern kann. In diesem Jahr können wir natürlich keine Hochzeitsreise mehr machen, weil Dascha in zwei Monaten das Kind bekommt, aber im nächsten Jahr könnten wir unseren ersten Hochzeitstag zum Beispiel in Madrid feiern. Den zweiten feiern wir dann in Wien. Und den dritten in Paris.«
»Sascha, ich bitte dich, deine Pläne auf meine finanziellen Möglichkeiten abzustimmen«, hatte Nastja gereizt erwidert. »Ich werde weder nach Madrid fahren noch nach Wien, noch nach Paris, denn ich werde nie so viel Geld besitzen. Deine Millionärsallüren machen mich krank.«
»Geh doch zum Teufel!« hatte Alexander Kamenskij gelacht. Er war so geblendet von der Liebe, daß er niemandem erlaubte, seinen rosaroten Blick auf die Welt zu trüben. »Du bist meine Schwester, und ich werde dir die ganze Welt zeigen. Ich habe genug Geld.«
Es war ihm gelungen, sich durchzusetzen, und morgen würde die Doppelhochzeit stattfinden. Das Geschenk für Dascha hatte Nastja längst besorgt, aber für ihren Halbbruder hatte sie immer noch nichts, und jetzt mußte sie sich dringend darum kümmern.
Auf dem Puschkinplatz stieg sie in den Trolleybus und fuhr zum Arbat. Sie glaubte sich erinnern zu können, daß sie dort in einem Geschäft ein luxuriöses Scheibtischset gesehen hatte, das genau zu einem Geschäftsmann wie Sascha paßte. Während sie langsam an den Geschäften vorbeiging, bemerkte sie plötzlich ein parkendes Auto, das ihr bekannt vorkam. Im nächsten Moment erinnerte sie sich daran, wessen Auto es war, und gleichzeitig stach ihr etwas unangenehm ins Auge. Angestrengt sah sie durch das Fenster in das Innere des Wagens. Dort lag auf dem Rücksitz ein grellroter Lackmantel mit schwarzen Godets. Sie erinnerte sich gut an den Mantel, Kleidungsstücke wie diese sah man in Moskau nicht oft.
Nastja ließ ihren Blick langsam über die Straße schweifen und entdeckte ein kleines geöffnetes Cafe. Der Mann, dem das Auto gehörte, und die Besitzerin des teuren, extravaganten Mantels saßen an einem kleinen Tisch und unterhielten sich angeregt. Im Grunde ging das Nastja überhaupt nichts an, aber dennoch, dennoch . . .
Sie betrat das Cafe, ging langsam zur Theke, bestellte eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen und setzte sich an den Tisch, der dem Paar am nächsten war. Sie versuchte, ihren Sitzplatz so zu wählen, daß sie den beiden nach Möglichkeit nicht auffiel und trotzdem gut mithören konnte, worüber sie sprachen.
». . . sehr heiß. Meine Bekannten waren im Juli dort, sie sagen, daß man eingeht vor Hitze. Dort muß man später hinfahren, so im September«, hörte Nastja das Mädchen mit gezierter Stimme sagen.
»Aber wir sind ja auch im Juli gereist letztes Jahr«, widersprach ihr Begleiter. »Und ich finde, es war genau die richtige Jahreszeit. Du hast nicht einmal einen Sonnenbrand bekommen.«
»Das kannst du doch nicht vergleichen!« bemerkte das Mädchen abschätzig. »Wir waren an der Costa Brava, dort herrscht ein ganz anderes Klima. In der Türkei würden wir im Juli verrückt werden vor Hitze.«
»Ich habe gehört, daß es in der Türkei einen Badeort gibt, der auch im Juli sehr angenehm sein soll. In ökologischer Hinsicht angeblich der beste im ganzen Land«, widersprach der junge Mann erneut. »Sand, Kiefern, frische Luft.«
»Was ist das für ein Badeort?« fragte das Mädchen ungläubig.
»Das war. . . ich glaube. . . verdammt, es fällt mir im Moment nicht ein.«
»Kemer«, sagte Nastja laut und deutlich, ohne den Kopf zu wenden.
»Genau, Kemer!« bestätigte die männliche Stimme erfreut.
»Es zeugt nicht gerade von Anstand, Fremde zu belauschen und sich in ihre Unterhaltung einzumischen«,
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