Anastasija 06 - Widrige Umstände
anderen instruiert. O ja, Gordejew war ein Fuchs! Er behielt seinen Groll vorerst für sich, hob ihn sich auf wie einen Stein. Niemand ahnte, dass er einen gewaltigen Rochus auf die beiden Kämpfer gegen hohe Einkommen hatte. Niemand brauchte von der Angelegenheit zu wissen, aber Knüppelchen würde ihnen das nicht vergessen. Zu gegebener Zeit würde er diesen Stein hervorholen. Eines musste man ihm lassen: Er griff nie als Erster an. Aber zum Schutz seiner Leute hielt er ein großes Arsenal solcher Steine bereit.
»Mischa«, Nastja lachte, »Viktor Alexejewitsch hat mir von dem Teekessel erzählt und auch von dem Mann, der aus dem Haus kam. Er hat mir aufgetragen, mir von Ihnen alle Informationen geben zu lassen, über die Sie verfügen. Und Sie sollen mit dem Festgenommenen reden. Also lassen Sie die Geheimniskrämerei. Erzählen Sie mir lieber etwas über diese Filatowa.«
Mischa ging in sein Büro zurück, um sein Notizbuch zu holen, und erzählte Nastja alles, was er herausgefunden hatte, seit er an dem Fall arbeitete.
Irina Sergejewna Filatowa, sechsunddreißig Jahre alt, studierte Juristin mit Doktortitel, arbeitete seit dem Abschluss ihres Studiums am Institut des Innenministeriums, also volle dreizehn Jahre. Lebte zusammen mit ihrem Vater Sergej Stepanowitsch Filatow in einer kleinen Zweizimmerwohnung, ihre Mutter war tot. Sie war verheiratet, aber nicht lange, seit 1984 geschieden, keine Kinder. Die Nachbarn konnten nichts Konkretes über sie sagen: keine lauten Partys, keine verdächtigen Besucher. Der Vater war seit dem vierten Juni zur Kur und erst am Samstag zurückgekommen. Er konnte zwei enge Freundinnen der Filatowa nennen und mindestens vier Männer, mit denen sie zu verschiedenen Zeiten intim war. Sie konnten bislang noch nicht befragt werden, keiner von ihnen war am Wochenende zu Hause anzutreffen. Laut Aussage des Vaters fehlte in der Wohnung nichts, Geld und Schmuck waren unberührt. Übrigens war Sergej Stepanowitsch sehr erstaunt darüber, dass der Herd defekt war. Vor seiner Abreise sei er in Ordnung gewesen, das könne er als Ingenieur mit ziemlicher Sicherheit sagen. Über Wohnungsschlüssel verfügten nur er selbst und seine Tochter. Dass Irina jemandem einen Schlüssel gegeben haben könnte, sei ihm nicht bekannt, aber das sei in ihrer Familie prinzipiell unüblich.
»Gut«, sagte Nastja. »Nun zum festgenommenen Fahrer. Was wissen wir über ihn?«
»Zumindest ist seine Aussage bislang durch nichts widerlegt. Er hat tatsächlich jemanden zum Flughafen gebracht, zu einem Flug am dreizehnten Juni um zwei Uhr fünfundvierzig. Das Ticket wurde eine Woche zuvor gebucht, am sechsten Juni. Irina Filatowa war auf einer Dienstreise in Krasnodar und hätte am zwölften Juni gegen neunzehn Uhr ankommen müssen, aber wegen des Regens war der Flugverkehr in Moskau gestört, und ihre Maschine landete erst um ein Uhr vierzig in Wnukowo. Sacharows Begegnung mit der Filatowa auf dem Flughafen kann also keinesfalls geplant gewesen sein.«
»Wie sagten Sie?« Nastja war zusammengezuckt. »Sacharow?«
»Dmitri Wladimirowitsch Sacharow, angestellt bei einer Sicherheitsagentur, bis 1990 beim Milizabschnitt fünf.«
»Sacharow.« Nastja seufzte. »Der Sacharow. Schade.«
»Sie kennen ihn?«, fragte Dozenko erstaunt.
»Besser gesagt, ich kannte ihn. Nicht sehr gut. Aber ich erinnere mich, dass er ziemlich tollkühn ist, sehr risikobereit, mit einem Hang zum Abenteuer. Und dass er davon träumte, viel Geld zu haben. Er kann durchaus in eine unschöne Geschichte geraten sein, aber nicht aus abgrundtiefer Gemeinheit, sondern ausschließlich aus Waghalsigkeit und Abenteuerlust.«
»So was, die Welt ist klein.« Mischa schüttelte den Kopf und ging zum Fenster.
»Was wundert Sie daran, Mischa?« Nastja winkte ab. »Wenn man mindestens fünf Jahre bei der Kriminalpolizei ist, hat man mit allen Kriminalisten und Untersuchungsführern in Moskau so oder so schon mal zu tun gehabt. Wir sind im Grunde gar nicht so viele. Noch ein, zwei Jahre, und Sie werden sich selbst davon überzeugen können. Ein enger Kreis sozusagen. Na schön, zurück zu Sacharow. Er bestreitet natürlich, die Filatowa bereits zuvor gekannt zu haben?«
»Natürlich, aber wir werden das überprüfen, indem wir ihre Freunde und Kollegen befragen.«
»Wann wollen Sie das denn schaffen? Morgen früh muss Sacharow schon entlassen werden.«
»Um zwei treffe ich mich im Institut mit Filatowas Chef.«
»Dann müssen Sie das Gespräch mit
Weitere Kostenlose Bücher