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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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müssen. Die Prellung entstand ungefähr zum Zeitpunkt des Todes, sie kann sich kaum früher den Kopf gestoßen haben. Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Die Prellung wurde durch Berührung mit einer glatten Oberfläche verursacht, nicht durch einen stumpfen Gegenstand. Nun, mein Augenstern, wie gefallen dir meine Worte?«
    »Großartig«, bekannte Nastja aufrichtig. »Was täte ich nur ohne Sie? Ich wäre schon längst rausgeflogen.«
    Das war nicht einmal übertrieben. Am Zwanzigsten jeden Monats legte sie Gordejew eine Analyse aller aufgeklärten und unaufgeklärten Morde, schweren Körperverletzungen und Vergewaltigungen vor. Diese Analyse ermöglichte Rückschlüsse auf neue Tendenzen bei diesen Delikten sowie auf typische Fehler bei der Ermittlung. Jeden Monat, wenn Nastja an dieser Analyse arbeitete, ging sie zu Airumjan und hörte sich dankbar seine ausführlichen Konsultationen an, die er mit vielen »Fischlein«, »Vögelchen« und »Augensternen« schmückte.
    Na schön, das waren für den Anfang genug Informationen, um über die Todesumstände im Fall Filatowa nachzudenken. Um Motive und die Persönlichkeit des Täters ging es vorerst noch nicht. Zunächst galt es herauszufinden, ob die Sache wirklich inszeniert war oder doch ein Unfall. Und generell, wie das Ganze passiert war und ob Dima Sacharow etwas damit zu tun haben konnte. Vielleicht sollte sie auch mit dem Elektroingenieur sprechen, der in die Wohnung der Filatowa geholt worden war. Aber im Grunde war die Art des Defekts für ihre Überlegungen vorerst kaum von Belang. Der Schaden am Herd konnte nicht urplötzlich entstanden sein, in der Stunde zwischen halb zwei, als laut Subows Auskunft der Teekessel gekocht hatte, und halb drei, als Irina einen Stromschlag bekommen hatte. Also war entweder der Herd in dieser Stunde absichtlich beschädigt worden, oder der warme Teekessel war ein Phantom, von dem sowohl Sacharow als auch der Kriminaltechniker Subow heimgesucht worden war, oder aber derjenige, der den Tee gekocht hatte, wusste von dem Defekt und hatte Vorsichtsmaßnahmen getroffen, zum Beispiel dicke Gummihandschuhe getragen. Andere Möglichkeiten gab es nicht.
    Nun, da Nastja einen Ausgangspunkt für ihre Überlegungen gefunden hatte, ging sie an die Arbeit. Die Vorbereitungen dazu waren ein regelrechtes Ritual, dessen wahrer Sinn einzig und allein darin bestand, den Moment des Eintauchens hinauszuzögern. Nastja kochte sich ohne Hast einen Kaffee, aß dazu ein von zu Hause mitgebrachtes Brot, rauchte eine Zigarette, legte sich drei neue leere Blätter zurecht, die sie ordentlich beschriftete: »Phantasie«, »Beschädigung zwischen 1.30 Uhr und 2.30 Uhr« und »Beschädigung früher«. Dann schloss sie ihre Zimmertür ab. Das war’s. Es konnte losgehen.
    Zuerst die Variante »Phantasie«, die war am einfachsten. Der warme Teekessel existierte nicht, Sacharow und Subow logen einhellig, weil Sacharow der Mörder war, Subow das wusste und ihn aus irgendeinem Grund deckte. Kompletter Blödsinn, aber das war nun einmal Nastjas Regel: Alle Varianten durchgehen, egal, wie unsinnig sie scheinen mochten. Also: Sacharow war der Mörder, Subow sein Komplize. Sacharow geht in die Wohnung der Filatowa und tötet sie. Wie? Manipuliert er vor ihren Augen am Herd herum? Oder tötet er sie anders? Wie? Was kann noch einen Herzstillstand verursachen? Irgendein Nervengas. Airumjan hat in der Lunge nichts dergleichen gefunden. Aber das war nicht die Hauptsache. Entscheidend war, dass sich in der Wohnung außer den beiden noch ein Untersuchungsführer, zwei Kriminalisten aus der Petrowka, einer von der zuständigen Wache und ein Elektroingenieur befunden hatten. Und jeder von ihnen oder alle zusammen mussten erklären, dass das Gerede vom warmen Teekessel pure Erfindung war.
    Erleichtert zerriss Nastja das Blatt mit der Überschrift »Phantasie« und machte sich an die nächste Variante.
    Sie ging im Kopf noch einmal alle ihre Argumente durch, die dagegen sprachen, dass der Defekt am Herd ohne äußere Einwirkung eingetreten war. Wäre die Filatowa zum Zeitpunkt ihres Todes allein in der Wohnung gewesen, hätte es außer den vom Gerichtsmediziner vermissten Prellungen auch einiges Gepolter geben müssen, von dem die Nachbarn garantiert wach geworden wären. Wenn in der Wohnung jemand war, der sie erwartete und nicht ihren Tod wollte, dann wusste er entweder von dem Defekt und hätte sie warnen müssen, oder er wusste es nicht, dann wäre das Bild dasselbe

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