Anastasija 06 - Widrige Umstände
Informationen kommen solle. Sie hätte ja den Auftrag einfach abgelehnt, aber er sei nicht von der Zeitung gekommen, für die sie in der Regel arbeite, sondern von einer anderen, und die Auftraggeber hätten sich über ihren Mann an sie gewandt, der von ihnen abhängig sei und sie sehr gebeten habe, den Artikel zu schreiben. Besonders verunsichere sie das extrem hohe Honorar, das man ihr versprochen habe, aber andererseits benötige sie das Geld dringend!
»Und deshalb machen Sie sich Sorgen?«, sagte Pawlow mitfühlend und reichte ihr die Tasse.
Larissa nickte schweigend, die kastanienbraune Mähne fiel ihr ins Gesicht. Mit einer jähen Kopfbewegung warf sie das Haar zurück und zuckte dabei unwillkürlich mit der Hand. Auf dem dunkelblauen Stoff ihres Overalls breitete sich ein Kaffeefleck aus. Pawlow hörte deutlich, wie sie ärgerlich vor sich hin murmelte, verstand aber kein Wort, sondern vernahm nur kehlige Laute. Larissa biss sich auf die Lippen, warf ihm einen verstohlenen Blick zu, aber Pawlow tat, als hätte er nichts bemerkt.
»Haben Sie sich verbrüht?« Er stürzte zu ihr. »Was für ein Missgeschick!«
Larissa schien sich wieder vollkommen in der Hand zu haben; mit einem Taschentuch tupfte sie vorsichtig den Fleck ab.
»Halb so schlimm, wenn es trocken ist, fällt es auf dem dunklen Stoff kaum auf«, sagte sie ruhig.
So, so, meine Liebe, dachte Pawlow, du hast offenbar zu lange im Orient gelebt, in deinem türkischsprachigen Milieu. Du hattest einen erstklassigen Russischlehrer, aber der plötzliche Schreck . . . eine klassische Situation, die deine wirkliche Herkunft enthüllt hat. Du bist ebenso eine Lebedewa, wie ich Saddam Hussein bin. Und du arbeitest nicht im Auftrag einer Zeitung. Du sammelst Material für irgendwelche Wirtschaftskreise, die den Premier unterstützen und seine Ablösung verhindern wollen. Vielleicht heißt du ja wirklich Lebedewa, nach deinem Ehemann, aber das ist nicht dein Geburtsname. Da wird sich Boris aber freuen! Er soll ruhig wissen, dass ich einen Freund in der Not nicht im Stich lasse. Schade, dass ich nicht mit dir ins Bett kann, du siehst wirklich teuflisch gut aus! Aber das wäre zu gefährlich. Gut, dass ich dich rechtzeitig entlarvt habe. Aber vielleicht ist es ja auch nicht gefährlich. Na schön, wir werden sehen.
»Gehen Sie davon aus, dass der Kaffeefleck Ihre größte Unannehmlichkeit für heute war«, sagte Pawlow feierlich. »Denn bei der Lösung Ihres anderen Problems kann ich Ihnen, glaube ich, helfen. Ein alter Freund von mir arbeitet im Apparat des Parlaments. Und er gehört zu der Gruppe, die den Premierminister unterstützt und seine Konkurrenten bekämpft. Wenn ich ihn darum bitte, wird er sich gern mit Ihnen unterhalten.«
Larissas Augen leuchteten freudig auf, ihre Wangen färbten sich rot.
»Meinen Sie das ernst, Alexander Jewgenjewitsch? Sie können mir wirklich helfen? Und Ihr Freund, der verfügt über genügend Informationen? Sie verstehen doch, welche Art von Informationen ich brauche . . .« Larissa stockte.
»Ich verstehe«, sagte Pawlow ernst, »dass viel Geld nicht für etwas gezahlt wird, das in jeder Zeitung steht. Sie können sicher sein, Larissa, dass ich Ihnen genau den Richtigen empfehle. Er heißt Rudnik. Haben Sie den Namen schon mal gehört?«
»Nein. Und außer ihm haben Sie dort keine Bekannten?«
»Ich versichere Ihnen, Larissa, Rudnik wird Ihnen vollauf genügen. Er kann sehr«, Pawlow betonte dieses Wort, »viel erzählen. Sie werden niemanden weiter brauchen. Also, soll ich ihn anrufen?«
»Natürlich. Vielen herzlichen Dank.« Larissa lächelte erleichtert. »Sie haben mir eine Last von der Seele genommen.«
Nachdem Pawlow Rudnik angerufen und die Journalistin zu ihm geschickt hatte, griff er erneut zum Telefon.
»Ich bin’s nochmal. Hör zu, das Mädchen, das ich zu dir geschickt habe . . . Kurz, du kannst ein schönes Spiel machen. Die Information geht ins Ausland, hundertprozentig. Und du bist rein wie ein Engel, denn laut ihren Papieren ist sie eine hiesige Journalistin. Erzähl ihr also alles, was du weißt. Du hast lange genug eigenhändig die Kastanien aus dem Feuer geholt, jetzt können die Millionäre mal für dich arbeiten. Und nicht den Kopf hängen lassen, Boris, verstanden?«
Pawlow verzog angewidert das Gesicht, als er an die bedrückte Stimme seines Gesprächspartners dachte. Waschlappen! Kaum riecht es ein bisschen brenzlig, von Feuer noch keine Spur, da macht er schon schlapp, hat die Hosen
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