Anastasija 06 - Widrige Umstände
voll. Hat es gerade noch geschafft, jemanden für den Auftrag zu engagieren, und nachdem die Sache gelaufen war, ist er völlig zusammengebrochen. Ist zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich muss ihn ein bisschen aufmöbeln, damit er wieder Mut schöpft. Ein bisschen Glück kann ihm nicht schaden. Sonst, wenn alles schlecht läuft, zeigt er sich womöglich noch selbst an. Wie kommt so ein Weichei nur so weit nach oben – nicht zu fassen! Feigling. Albern, wovor er Angst hat. Wenn er wüsste . . .
Pawlow schauerte. Dieses Biest Irina hatte nur zur Hälfte Recht: Wenn es zum Skandal käme, könnte er jederzeit aus der Miliz ausscheiden. Karriere, na und! Groschen! Aber die andere Hälfte der Wahrheit . . . Lieber nicht daran denken. Er würde ihn nicht am Leben lassen. Ich habe ihm schließlich geschworen, dass in Ensk nichts mehr über ihn aufzufinden ist, alles steril, da kann keiner was ausgraben. Und er hat mir geglaubt. Aber mich gewarnt, sollte durch mein Verschulden irgendetwas passieren, wäre es aus mit mir. Betrug und Ungehorsam bestraft er ohne Gnade. Die Macht, die hinter ihm steht – lieber nicht daran denken. Die internationale Drogenmafia. Die haben ihn zum Generaldirektor eines Joint-Venture-Unternehmens gemacht, das sie zur Geldwäsche benutzen, aber unter einer Bedingung: In Russland muss deine Weste schneeweiß sein, auf dein Joint-Venture darf nicht der leiseste Schatten fallen. Das hat er ihnen garantiert, und hinter dieser Garantie stand sein, Pawlows Ehrenwort. Und ihm war dieser fatale Fehler mit den blöden Karteikarten unterlaufen! Sollte er jetzt etwa zu ihm gehen und beichten? Dann würde er den nächsten Morgen nicht mehr erleben. Bei denen herrschte eiserne Disziplin. Darum musste er auch Boris bitten, jemanden für den Auftrag zu engagieren, obwohl das riskant war. Er hätte sich lieber an ihn wenden sollen, aber dann hätte er erklären müssen, was los ist, und damit sein Todesurteil unterschrieben. Nein, gegen ihn ist jeder Skandal eine Lappalie. Gut, dass Boris nichts wusste, sonst wäre er aus Angst längst in die Petrowka gerannt. Oder zu ihm . . .
Bei diesem Gedanken wurde Pawlow ganz kalt. Nein, beruhigte er sich, unmöglich, Boris kennt ihn nicht, Boris weiß überhaupt nicht, dass noch jemand in der Sache drinhängt. Er ahnt vielleicht, dass ich außer ihm noch andere von seiner Art kenne, aber er weiß nichts Konkretes. Aber er weiß Bescheid, ich habe nicht gewagt, es ihm zu verbergen. Lieber nicht daran denken.
Schließlich ist doch noch gar nichts passiert. Arif war bei der Beerdigung und hat gehört, was so geredet wurde. Nichts Gefährliches, alle glauben, sie wurde wegen ihres Geliebten umgebracht. Aus Eifersucht oder wegen der anderen Sache, wegen Interpol. Unsere Kleine war ja keine Nonne, also sollen sie mal schön suchen. Das mit der Liebesgeschichte war ein guter Einfall, die haben sie geschluckt, ohne mit der Wimper zu zucken. Und denken nun vielleicht, wenn sie das Verhältnis mit mir verheimlicht hat, dann hatte sie vielleicht noch andere Männer, von denen keiner weiß. Sollen sie ruhig danach suchen. Die Hauptgefahr ist diese Kamenskaja, über die kursieren ja regelrechte Legenden. Wenn bei Irina auch nur ein Papierchen liegen geblieben wäre, hätte diese graue Maus sich daran festgebissen. Aber offenbar hat sie nichts dergleichen gefunden. Außerdem ist sie im Urlaub. Ich kann also aufatmen. Morgen gehe ich zu Gordejew, mich nach dem Stand der Dinge erkundigen. Das fällt sonst auf. Bei der Kamenskaja war ich sogar zweimal, und plötzlich komme ich nicht mehr. Ich muss weiter den untröstlichen Witwer spielen.
Interessant, wie hat dieses Mädchen mich eigentlich gefunden? Doch nicht etwa über Arif? So oft ich sie auch danach gefragt habe, sie hat es mir nie gesagt. Meinen Namen hat sie durch die Thesen gefunden, aber das weiß ich erst jetzt. Damals, vor fünf Jahren, hatte ich keine Ahnung, dass Dissertationen im ganzen Land verschickt werden, an alle juristischen Hochschulen. Ich habe den Mädchen im wissenschaftlichen Rat eine Schachtel Pralinen und eine Flasche Sekt mitgebracht, und sie haben alles für mich erledigt. Aber der Name ist das eine, doch wie hat sie den Rest erfahren? Wahrscheinlich doch Arif, wer sonst. Es stimmt schon, mit Orientalen muss man aufpassen. Als ich ihn in Baku anrief, dass er die Dissertation in Moskau abholen soll, da hat er darauf gewartet, dass ich das Geld erwähne, selber hat er nicht danach gefragt. Aber an seiner Stimme
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