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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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unberufen.« Sie pochte auf den hölzernen Hocker.
    »Nastja, darf ich dir eine indiskrete Frage stellen?«
    »Nur zu.«
    »Als Sacharow hier übernachtet hat . . .«
    »Ja?«
    »Hattet ihr da was miteinander?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Knüppelchen hat gesagt, du wolltest heute Nacht auf keinen Fall Sacharow.«
    »Knüppelchen ist ein alter Schwätzer und ein Klatschmaul. Setz bitte Wasser auf.«
    »Also, war nun was oder nicht?« Jura zündete eine Gasflamme an.
    »Nun löchere mich doch nicht. Ja. Und nein.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das verstehst du nicht, du hast ein empfindsames Herz. Meins dagegen ist aus Holz. Da kannst du anklopfen, so viel du willst – es klingt immer dumpf. Ja, wir haben miteinander geschlafen. Aber das ist alles.«
    »Du bist gut! Was hätte denn sonst noch sein sollen?«
    »Hör auf, Korotkow. Meinst du, ich müsste mich in jeden verlieben, der aus sportlichem Ehrgeiz mal mit mir schläft?«
    »Aber schließlich hat nicht nur er mit dir geschlafen, sondern auch du mit ihm. Auch aus sportlichem Ehrgeiz?«
    »Ist dir das so wichtig? Für mich bitte ohne Zucker.«
    »Ja. Ich versuche, dich zu ergründen. Nicht böse sein, Nastja. Red mit mir darüber, bitte.«
    »Wenn das so ist, dann reden wir doch mal über dich.«
    Aber dazu kamen sie nicht. Wieder rief Gordejew an.
    »Anastasija, hat man dir gesagt, dass die Wohnung voller Wanzen ist?«
    »Nein. Wozu?«
    »Um nicht Hals über Kopf jeden festzunehmen, der über die Schwelle tritt. Vielleicht kommt erst mal nur einer kontrollieren. Verstanden?«
    »Ja.«
    Nastja trank seelenruhig ihren Tee aus, stellte die Tasse ab und sagte laut und deutlich:
    »Danke für eure Feinfühligkeit, Kollegen. Ich verspreche, ich werde euch nicht weiter in Verlegenheit bringen.«
    »Was soll das?«, fragte Korotkow erstaunt. »Drehst du jetzt durch?«
    Nastja lachte.
    »Sie hören uns ab. Kannst du dir das vorstellen? Sie haben Knüppelchen sofort von unserem intimen Gespräch berichtet. Und ich hab ihn einen alten Schwätzer und ein Klatschmaul genannt! Eigentlich wäre es mir lieber gewesen, er hätte mir nichts gesagt. Jetzt muss man auf jedes Wort achten.«
    »Unsinn. Er hat Recht, es ist besser so.«
    »Wofür? Wenn der Gallier kommt, um mich umzubringen, wird er das nicht laut kommentieren. Er wird schweigend seinen Job erledigen und wieder verschwinden.«
    »Schweigen ist auch ein Signal. Halt nicht alle für Idioten.«
    »Tue ich gar nicht.« Nastja schluchzte plötzlich auf. »Ich habe Angst, Jura, ich habe Todesangst. Mein Gott, wenn du wüsstest, wie sehr ich mich fürchte.«
    Die Nacht verbrachten sie ohne Schlaf, sie horchten auf jedes Geräusch im Treppenhaus, zuckten jedes Mal zusammen, wenn der Lift rumpelte. Am Morgen ging Korotkow. Im Laufe des Tages klingelte niemand an der Wohnungstür, niemand erkundigte sich bei den anderen Mietern, wo Larissa Lebedewa wohnte. Nastja ging einkaufen, holte Milch und Brot und kehrte sofort wieder zurück. Gordejew hatte ihr strengstens untersagt, sich mehr als unbedingt nötig draußen aufzuhalten – wer konnte wissen, was für einen Unfall der Mörder inszenieren wollte. Die Wohnung war allseitig gesichert, aber auf der Straße konnten sie Nastjas Sicherheit nicht umfassend gewährleisten. Als Nastja vom Einkaufen zurück war, wurde Gordejew gemeldet, dass ihr niemand gefolgt war.
    Weder an diesem noch am nächsten Tag tauchte jemand auf. Der Gallier zeigte kein Interesse an der Erpresserin. Die Operation drohte zu scheitern. Sie hatten wohl doch nicht ins Schwarze getroffen.
    Der Gallier war clever genug herauszufinden, dass die Nummer, unter der er Pawlow angerufen hatte, weder zu seiner Wohnung noch zu seinem Büro gehörte. Er war in zwei, drei Läden in der Nähe von Pawlows Haus gegangen und hatte sich überzeugt, dass sie zu einem anderen Fernsprechamt gehörten. Mit welchen Ziffern die Nummern im Innenministerium begannen, wusste er ohnehin.
    Der Gallier wählte die Nummer, erreichte einen Anrufbeantworter, sagte kurz: »Ich rufe um zweiundzwanzig Uhr fünfzehn an« und legte auf.
    Der Rest war eine Frage der Technik – dem Auftraggeber auf dem Weg vom Ministerium nach Hause zu folgen und dann zu der Wohnung, in der das Telefon stand. Kein Problem für den Gallier. Pawlow schloss die Tür nicht selbst auf, sondern klingelte, und das überzeugte den Mörder davon, dass er richtig handelte. Pünktlich um zweiundzwanzig Uhr fünfzehn rief er von der nächstgelegenen Telefonzelle aus

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