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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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an, teilte mit, dass er bereit sei, verabredete die Vorschussübergabe und wartete, bis Pawlow gegangen war. Er sah sich aufmerksam um. Das Haus, in das er gehen wollte, stand direkt am Sadowoje-Ring, neben dem Kursker Bahnhof. Ein lauter Ort, und auch in der Wohnung dürfte es kaum ruhig sein. Umso besser.
    Der Gallier stieg lautlos die Treppe hinauf. In entscheidenden Augenblicken verließ er sich nur ungern auf einen Lift: Ein Lift konnte stecken bleiben und seine Pläne vereiteln. Er blieb eine Weile vor der Tür stehen, überlegte noch einmal, dann drückte er entschlossen auf den Klingelknopf.
    »Wer ist da?«, antwortete eine Stimme hinter der Tür beinahe sofort. Offenbar hatte sich der Wohnungsinhaber noch nicht schlafen gelegt.
    »Ich komme von Oberst Pawlow.«
    »Was wollen Sie?«
    Die Stimme hatte einen leichten kaukasischen Akzent. Arif, vermutete der Gallier.
    »Machen Sie bitte auf. Meine Stimme ist auf Ihrem Anrufbeantworter, das können Sie überprüfen. Ich habe um zweiundzwanzig Uhr fünfzehn mit dem Oberst telefoniert. Er hat mir Ihre Adresse gegeben und mich gebeten, mit Ihnen noch einige Details zu besprechen.«
    »Warten Sie.«
    Die Schritte des Hausherrn entfernten sich. Nach einer Weile klackte das Türschloss. Mit einer blitzschnellen Bewegung stieß der Gallier Arif in den Flur und schlug die Tür zu. Noch ehe Arif zu sich gekommen war, lag eine Hand des Besuchers an seinem Hals, die andere hatte mit festem Griff seine Haare am Hinterkopf gepackt.
    »Bist du Arif?«
    »Ja«, brachte er hervor.
    »Weißt du, wer ich bin?«
    »Ja.«
    »Umso besser. Pack aus, schnell.«
    »Was denn?«, krächzte Arif.
    »Was für ein Spiel spielt dein Oberst? Noch halte ich dich nur fest, aber ich könnte dir auch wehtun. Willst du, dass ich dir wehtue?«
    »Lassen Sie mich los, ich kriege doch keine Luft.«
    »Wird schon gehen. Also?«
    »Ich weiß nichts. Lassen Sie mich los.«
    »Hör mir mal schön zu, Arif. Du weißt, wer ich bin. Darum haben wir beide zwei Möglichkeiten. Entweder du stirbst gleich auf der Stelle, oder ich erlöse dich von dem Oberst, und dafür hilfst du mir zu verschwinden. Wir fahren dorthin, wo gerade Krieg ist, du hast da bestimmt Freunde oder Verwandte. Dort findet uns garantiert keiner. Also, wirst du reden?«
    »Ja, aber lassen Sie mich los.«
    »Nein. Rede.«
    Arif Murtasow wollte leben. Und er musste sich entscheiden, wo: im ruhigen Moskau, aber in der Nähe von Pawlow, oder im Krieg führenden Berg-Karabach, aber ohne ihn. Pawlow wurde für Arif von Tag zu Tag belastender und gefährlicher, er verlangte immer mehr Geld, und nun plante er bereits den zweiten Mord, und das gefiel Arif ganz und gar nicht. Die letzten zwei Tage hatte er viel darüber nachgedacht. Seine Sache waren Geschäfte – das war früher illegal gewesen, nun aber völlig legal –, Geschäfte, nicht Mord. Mit Mord wollte er auf keinen Fall zu tun haben.
    Habgier ist eine große Sünde, dachte Arif oft. Pawlow hatte Geld sparen wollen und das Mädchen betrogen, und nun? Lauter Unannehmlichkeiten. Waren die unglückseligen Zehntausend das wirklich wert? Auch er, Arif, war dieser unverzeihlichen Sünde erlegen, als Pawlow ihm damals gesagt hatte, er brauche für die Einstellung des Strafverfahrens nichts zu zahlen, er könne das auch auf Treu und Glauben abarbeiten, die Rechnung mit Gegenleistungen begleichen – Geld sei nicht so wichtig, das könne er, wenn es sein müsse, später noch zahlen. Und wie viel hatte Pawlow schon aus ihm herausgesaugt? Genug für ein ganzes Dutzend Strafverfahren. Er kommandierte ihn herum wie einen Laufburschen.
    Arif hatte eigentlich bereits eine Entscheidung getroffen, er musste nur noch den letzten Schritt tun. Er bezweifelte nicht, dass sein Besucher seine Drohung wahr machen würde, aber dann käme er nicht mehr an Pawlow heran, selbst wenn er ihm jetzt alles erzählte. Arifs Tod, selbst durch einen Unfall, wäre für Pawlow ein Alarmsignal, er würde sofort Maßnahmen treffen. Das hieß, er hatte eine Chance, am Leben zu bleiben, zumindest vorerst.
    Und Arif erzählte alles: Über die Dissertation, die Filatowa, über Ensk und die Karteikarten.
    »Warum soll die Journalistin aus dem Weg geräumt werden?«
    »Sie weiß etwas. Sie erpresst ihn mit dem Manuskript.«
    »Das Manuskript ist noch kein Mordgeständnis. Was weiß sie konkret? Warum hat dein Oberst Angst vor ihr?«
    »Ich weiß es nicht. Wirklich, ich weiß es nicht. Er denkt, sie weiß alles.«
    »Und was denkst

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