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Anastasija 06 - Widrige Umstände

Anastasija 06 - Widrige Umstände

Titel: Anastasija 06 - Widrige Umstände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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andere schuldig und rechtfertigte sich, obwohl er im Grunde gar nichts Schlimmes verbrochen hatte. Bei dem erfahrenen Chef Pawlow musste diese Logik funktionieren. Und sie funktionierte. Wer gelassen und sicher auftrat, dem anderen Zeit zum Überlegen einräumte, der musste etwas Ernsthaftes gegen ihn in der Hand haben.
    Gordejew spielte seinen heiklen, schwierigen Part praktisch blind. Als ihm gemeldet wurde, das Objekt habe Pawlow vom Ministerium »abgeholt«, sei ihm bis zu Arifs Haus gefolgt, bei Arif gewesen und nun unterwegs in Richtung Mir-Prospekt, wo sich die Lebedewa aufhielt, atmete er erleichtert auf. Endlich, nach zwei Tagen Unterbrechung, lief das Uhrwerk wieder. Man müsste nur noch wissen, wer er war, dieses Objekt. Der Beschreibung nach der Mörder. Und wenn nicht? Oder doch ein Mörder, aber ein anderer?
    Halb eins. Nastja schlief bestimmt wieder nicht. Armes Mädchen! Wie lange musste sie wohl noch warten, bis der Gallier sie besuchen kam? Ihre Nerven waren bis zum Äußersten gespannt.
    Gordejew nahm Kontakt auf zu den Männern, die das Objekt observierten.
    »Sitzt auf dem Fensterbrett im Haus gegenüber.«
    »Will er dort etwa übernachten?«
    »Das weiß ich nicht, euer Wohlgeboren. Soll ich ihn fragen gehen?«
    »Geh hin und hilf ihm. Er soll sich ein bisschen Schlaf gönnen. Die Jungs müssen sich auch mal ausruhen.«
    Der Gallier saß auf dem Fensterbrett im Treppenhaus, gegenüber dem Hauseingang, in dem vor zwei Tagen die Lebedewa verschwunden war. Er überlegte, wie er die Wohnungsnummer erfahren könnte. Früher hatte er sich um solche Dinge nicht kümmern müssen, die Informationen waren immer vollständig gewesen. Schließlich sollte nichts und niemand ihn mit dem Unfallopfer in Verbindung bringen. Sie durften nicht zusammen gesehen werden, und schon gar nicht durfte er in Erscheinung treten und Erkundigungen einziehen. Das war ein unumstößliches Prinzip.
    Doch diesmal war er gezwungen, anders zu arbeiten. Allerdings war auch seine eigene Situation diesmal eine andere. Wenn alles so lief, wie er es plante, dann konnte er ruhig gesehen werden, sie würden ihn hinterher sowieso nicht finden.
    Er hörte einen Automotor. Ein Wagen fuhr durch die Toreinfahrt und bremste vor dem Hauseingang der Rothaarigen. Aus dem Auto stieg ein Mann, machte ein paar unsichere Schritte auf die Haustür zu, hielt sich an der Wand fest und blieb stehen. Er war offensichtlich ziemlich betrunken. Der Wagen fuhr weg, und der Passagier wollte nun wohl doch nicht mehr nach Hause; er schwankte zu der Bank vor dem Eingang und setzte sich, die Hände an den Kopf gepresst.
    Der Gallier sprang vom Fensterbrett und lief die Treppe hinunter.
    »Was ist los, mein Freund, ist dir schlecht?«
    Er bemühte sich, möglichst freundlich und teilnahmsvoll zu klingen. Der Betrunkene nickte.
    »Soll ich dich begleiten?«
    »Nicht nötig. Ich geh nicht hoch. Sie brüllt bloß wieder rum, die blöde Kuh, weckt das ganze Haus auf.«
    »Willst du bis morgen früh hier sitzen bleiben?«
    »Wieso bis morgen früh? Nur eine Weile, zum Ausnüchtern, damit ich nicht mehr schwanke, dann geh ich hoch. Auf den Geruch reagiert sie nicht, aber wenn sie sieht, dass ich schwanke, dann wird sie wild.«
    »Deine Frau oder was?«
    »Na ja. Das rothaarige Biest. Ich hasse sie!«
    »Moment mal, deine Frau, ist das die Hübsche mit den roten Haaren und den langen Beinen? Und die schreit dich an?«
    »Nee, die mit den Beinen, das ist Larissa aus Wohnung achtundvierzig. Meine sieht aus wie ein Scheuerlappen. Was denn, Junge«, der Betrunkene sah den Gallier misstrauisch an, »du kennst Larissa nicht? Bist wohl nicht von hier, oder?«
    »Doch, wieso? Ich wohne da drüben. Bin erst vor kurzem hergezogen.«
    »Und du kennst Larissa nicht?«, lamentierte der Betrunkene weiter. »Die kennt doch jeder Mann, der hier wohnt. Sie hatte einen schicken Wagen, einen ausländischen. Den hat sie einmal in der Woche mit ihren manikürten Händen selber gewaschen. Kannst du dir das vorstellen? Ein Weib, das den Wagen wäscht. Eine Traumfrau.«
    »Und ihr Mann? Der hat ihr nicht dabei geholfen?«, fragte der Gallier möglichst gleichgültig.
    »Ach, von dem ist sie schon lange geschieden. Das Auto hat sie sich erst nach der Scheidung gekauft. Und dann, im Frühling, da war der Wagen futsch. Nun wäscht sie ihn nicht mehr.«
    »Geklaut oder was?«
    »Zu Klump gefahren. Typisch Frau eben, da kann man nichts machen. Nun sitzt sie da, ohne Mann und ohne Auto. Du, guck mal

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