Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
Richtungen, neue Ideen. Das kannst du nicht mehr aufholen. Wer ist denn dieser Tomtschak?, wird man fragen. Derjenige, der vor fünf Jahren eine Monographie geschrieben hat? Ach ja, ich erinnere mich dunkel. Und was hat er seitdem gemacht? Was hat er geschrieben, welche neuen Forschungsergebnisse hat er vorzuweisen? Keine? Na dann! Viel Glück und auf Wiedersehen.«
Larissa hasste Strelnikow von ganzem Herzen. Aber darüber konnte sie nur mit Anna Leontjewa und mit Ljuba sprechen. Weder Annas Mann noch ihr eigener wollten etwas davon hören. Für sie war Strelnikow unantastbar, es war kategorisch verboten, ein schlechtes Wort über ihn zu verlieren.
»Wieso lässt Slawa sich das alles von ihm gefallen?«, fragte Ljuba verwundert. »Versteht er denn nicht, was du verstehst?«
»Er versteht überhaupt nichts. Er ist in seinen Strelnikow verliebt wie eine Jungfrau in ihren Bräutigam. Alles, was dieses Ungeheuer macht, ist für ihn in Ordnung. Es ist, als hätte er die beiden verhext . . .«
Als Wladimir Alexejewitsch Strelnikow Hochschulrektor geworden war, begann er sofort damit, ergebene Gleichgesinnte um sich zu versammeln. Er wollte den Universitätsapparat modernisieren und die Studienabläufe optimaler gestalten, und dazu hatte er zwei Möglichkeiten. Er konnte versuchen, Menschen von sich zu überzeugen, sie für seine Ideen zu begeistern, oder aber einfach treue Freunde zur Mitarbeit verpflichten, die nach seiner Pfeife tanzen und seine Ideen widerspruchslos in die Tat umsetzen würden. Freunde, die ihn nie im Stich lassen würden, auf deren Schultern er die gesamte Arbeit abwälzen könnte und die alles tun würden, was Strelnikow von ihnen verlangte. Strelnikow wählte diesen zweiten, sehr viel einfacheren Weg. Wjatscheslaw Tomtschak war damals Laborleiter eines renommierten wissenschaftlichen Forschungsinstituts und galt als viel versprechender Wissenschaftler. Genadij Leontjew war Dekan der Fakultät für Psychologie an der Universität. Strelnikow bot Tomtschak die Stelle des Prorektors für Wissenschaftsarbeit an und Leontjew den Posten des stellvertretenden Personalchefs.
»Komm zu mir«, sagte er, »ich brauche dich.«
Das waren geheiligte Worte. Wenn ein Freund dich braucht, wenn er um deine Hilfe bittet, dann darfst du nicht nein sagen. Tomtschak wollte damals gerade mit der Arbeit an seiner Dissertation beginnen, aber auf Strelnikows erstes Wort hin ließ er die Wissenschaft stehen und liegen und folgte seinem Freund an dessen neuen Arbeitsplatz. Strelnikow hatte ihm versprochen, dass er auch auf seinem neuen Posten die Möglichkeit zur Promotion haben würde, und Tomtschak hatte ihm geglaubt. Aber schon nach einer Woche war klar, dass sein neuer Arbeitsbereich mit Wissenschaft überhaupt nichts zu tun hatte. Es handelte sich um eine aufwendige, hektische Verwaltungsarbeit, zu der es nicht nur gehörte, die Erfüllung der Lehrpläne an den einzelnen Lehrstühlen zu überwachen, sondern auch, Seminare und Konferenzen zu organisieren, die Betreuung der Doktoranden sicherzustellen und anderes mehr, das für einen Menschen der Wissenschaft nicht von geringstem Interesse war. Papiermangel oder technische Störungen in der Druckerei, zu großer Andrang zur Aspirantur, störrische alte Professoren, die man abholen und mit dem Wagen zu den Sitzungen des Wissenschaftsrates bringen musste, die Suche nach Sponsoren, die bereit waren, Geld für die Bibliothek der Hochschule zu spenden – um alles das musste sich der verhinderte Doktor der Wissenschaften Wjatscheslaw Tomtschak kümmern. Und das vor dem Hintergrund dessen, dass er bis zu seinem alten Arbeitsplatz eine Fahrzeit von einer halben Stunde gehabt hatte und jetzt täglich zweimal anderthalb Stunden unterwegs war.
Und das Unangenehmste an der Sache war, dass Strelnikow ganz offensichtlich nicht vorhatte, bis ans Ende seiner Tage Rektor dieser Hochschule zu bleiben. Alle seine Freunde wussten, dass er es nie länger als zwei, drei Jahre auf einem Posten aushielt. Nach einer Weile wurde ihm langweilig, er wollte neue Gipfel erstürmen, wechselte seinen Tätigkeitsbereich und stürzte sich in neue Aufgaben. Tomtschak und Leontjew, die auf Anweisung des Rektors die Schrauben an der Hochschule hart angezogen und sich auf diese Weise viele Feinde gemacht hatten, warteten bange auf den Tag, an dem ihr Freund seinen Posten an der Hochschule wieder verlassen würde. Und sie wussten genau, dass das auch für sie das Ende sein würde. Es würde ein neuer
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